Reinterpretation von Tradition und der Paradigmenwechsel der Moderne: der Fall Abû l-A'lâ Mawdûdî (1903-1979)

Jan-Peter Hartung

Die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für muslimische Gesellschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellten muslimische Denker vor die Aufgabe, den westlichen Gesellschaftsmodellen alternative Konzepte entgegenzusetzen, die zum einen auf den normativen Fundamenten der Religion verankert sind und die andererseits aber auch den neuen gesellschaftlichen Entitäten gerecht werden können.
Der indo-muslimische Denker Abû l-A'lâ Mawdûdî war einer der ersten, der einen solchen Gesellschaftsentwurf systematisch entwickelte und dadurch überregionale Bedeutung erlangte und bis heute erlangt. Ziel der Präsentation wird es sein, meine These vorzustellen und zu begründen, daß Mawdûdî zu diesem Zwecke systematisch westliche Gesellschaftstheoretiker rezipiert hat und, über diese Rezeption, ein komplettes praxisphilosophisches Paradigma übernommen hat, mit dessen Hilfe er selektiv Aussagen der autoritativen Texte des Islam [an-nusûs] neu interpretierte. Auf diese Weise leitete er, so meine These, einen Paradigmenwechsel im Islam ein.
Die Bewegung der Jamâ'at-i islâmî, deren maßgeblicher Initiator und Vordenker Mawdûdî war, läßt sich in diesem Kontext vielmehr als praktische Realisierung des Gesellschaftsentwurfes Mawdûdîs mit Modellcharakter verstehen, denn als politische Partei westlicher Couleur.

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