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Bestände / Nachlass Dr. Rudolf Schmidt
 
 

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Botschafter a. D. Dr. Rudolf Schmidt (4. 6. 1938 – 6. 11. 2010)  

Rudolf Schmidt wurde in Burghausen (Oberbayern) geboren. Nach Schulbesuch und Abitur in seiner Heimatstadt studierte er Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und wurde dort im Jahr 1967 über ein Thema aus dem französischen Verwaltungsrecht promoviert.

Am 8. 4. 1969 trat er in den Auswärtigen Dienst ein. In seiner vierunddreißig jährigen Berufslaufbahn wirkte er auf einer Vielzahl von Aufgabenfeldern im Auswärtigen Amt in Bonn und an zahlreichen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland:

1973 – 1975 Generalkonsulat in Zagreb, Jugoslawien
1975 – 1977 Deutsche Botschaft in Kinshasa, Kongo
1977 – 1979 Deutsche Botschaft in Washington, USA
1980 – 1983 Ständige Vertretung bei der NATO in Brüssel
1986 – 1990 Ständige Vertretung bei den VN in New York
1994 – 1998 Deutsche Botschaft in Moskau
1998 – 2000 Ständige Vertretung bei der OSZE in Wien
2000 – 2003 Botschafter in Ankara, Türkei.

Im Juni 2003 trat er in den Ruhestand. Darauf wirkte er im Auftrag des Auswärtigen Amtes zunächst in Podgorica (Montenegro, 2003), später in Kabul (Afghanistan, 2004 – 2005). Von 2006 bis 2008 leitete er das Programm für die Diplomatenlehrgänge aus islamisch geprägten Ländern.

Rudolf Schmidt war zeit seines Lebens ein homo politicus mit Leidenschaft und Engagement. Stets ging es ihm um Ausgleich und friedliche Lösungen der anstehenden Probleme. Stets aber ging es ihm um mehr als das aktuelle politische Tagesgeschäft: Er fragte immer auch nach dem Grundsätzlichen in und hinter den jeweiligen Konflikten. Durch umfangreiche Lektüre suchte er ihre historischen Wurzeln zu verstehen und ihre sozialen, religiösen, ethischen Implikationen zu erfassen. Seine Analysen, Reflexionen und Lösungsvorschläge hat er regelmäßig, parallel zu seinem Berufsweg, schriftlich festgehalten und z.T. auch publiziert.

In Kontakt mit dem Orient trat Rudolf Schmidt bereits auf seinem ersten Auslandsposten, dem damaligen Generalkonsulat in Zagreb. Hier wie auch später auf dem Balkan, in der Türkei und in Afghanistan ging er neugierig, offen und unvoreingenommen an die ihm unbekannte Lebenswelt heran, studierte mit Fleiß ihre Geschichte, lernte ihre Sprachen und suchte den Kontakt mit den Menschen des Landes. Selbst ein gläubiger Christ, begegnete er den Muslimen mit Achtung und Toleranz. Er liebte die oft grandiosen Landschaften und die Überreste früherer Kulturen in den östlichen Ländern; Er liebte die orientalische Küche, die Musik und die Fröhlichkeit der Feste. Er lachte gern, auch über sich selbst. Mit seinem Humor und seiner Warmherzigkeit fand er leicht Zugang gerade auch zu einfachen Menschen im dörflichen Umfeld. Von solchen spontanen Kontakten zeugt so manches Foto in seinem Nachlass.

Rudolf Schmidt hatte von Natur aus eine pädagogische Ader. Er diskutierte gern mit jungen Menschen, zuförderst mit seinen eigenen drei Kindern, zudem auch mit den nachwachsenden jungen Diplomaten des Auswärtigen Amtes und zuletzt als Leiter von Lehrgängen für Diplomaten aus islamischen Ländern. Er konnte zuhören und, durch Argumente sowie seine persönliche Ausstrahlung, glaubwürdig für seinen Standpunkt werben und andere überzeugen. Die nach seinem Tod vom ZMO geschaffene Möglichkeit, dass Studierende seinen Bücherbestand und seine schriftliche Hinterlassenschaft weiterhin nutzen können, hätte ihn mit Freude und Dankbarkeit erfüllt.

Wie die im Nachlass zugänglichen Aufsätze dokumentieren, hat sich Rudolf Schmidt in seinen letzten Lebensjahren globalen Themen zugewandt. Die Bedrohtheit des Fortbestands der Bedingungen, unter denen menschliches Leben möglich ist, erfüllte ihn mit Sorge: Bedrohung durch den Klimawandel, den Raubbau an den Ressourcen, durch Atomwaffen und durch Wettrüsten im Weltraum. Er sah seine Aufgabe darin, durch Reden und Schreiben warnend auf diese Gefahren hinzuweisen. Er forderte ein neues, globales, verantwortungsbewusstes Denken von der Zukunft der Erde aus. Er war überzeugt, dass Politik nicht ethisch neutral und nicht Ethik-frei sein kann. Im Anschluss an den Philosophen Hans Jonas, dessen Werk „Das Prinzip Verantwortung“ ihn beeindruckt und beeinflusst hat, suchte er die von Jonas entwickelte Zukunftsethik fruchtbar zu machen auf dem Gebiet der Politik. So strebte er danach, Ethos und Politik, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden.

Angesichts der großen planetarischen Probleme schien Rudolf Schmidt die gegenwärtige globale Ordnung ein unzureichendes Instrumentarium zu sein. Er forderte ein neues Völkerrecht: die Verwirklichung einer gerechten, rechtlich verfassten, ethisch bestimmten Weltordnung, die die souveräne Regelkompetenz der 180 Nationalstaaten überwindet im Interesse des ganzen Planeten, mit dem Ziel, gemeinsam die Bedingungen für das Überleben zukünftiger Generationen zu gewährleisten. Er sah in Jonas' Prinzip Verantwortung das verbindende Element zwischen Ethos und Weltordnung hergestellt.

Geprägt durch seine lange Erfahrung in der internationalen Politik und bestärkt durch sein Gottvertrauen, glaubte er an die Lösbarkeit der globalen Aufgaben. Er sah der Zukunft der Erde und dem Leben auf ihr mit Zuversicht entgegen.

(Dr. Uta Schmidt-Clausen)