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DFG - Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis PDFLog

 

 

Erlebnis und Diskurs – Zeitgenössische arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus. Ein Beitrag zur Erinnerungskultur

Peter Wien
Prof. Dr. Gerhard Höpp
René Wildangel

Teilprojekt 1

"Disziplin und Aufopferung". Nationalsozialismus im irakischen Diskurs

Peter Wien

Zusammenfassung des Abschlussberichts
In dem Teilprojekt untersuchte der Bearbeiter verschiedene Formen der Wahrnehmung von Nationalsozialismus, Faschismus und im weiteren Sinne Totalitarismus im Umfeld einer irakischen Debatte um Nation und Gesellschaft in den dreißiger und frühen vierziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts. Die Debatte erfolgte in erster Linie in lokalen Zeitungen und zeitgenössischen Veröffentlichungen. Der Bearbeiter versuchte dabei, bestimmte Arten der Aufnahme von entsprechendem Gedankengut in den Zusammenhang eines Generationenkonfliktes der irakischen Elite einzugliedern. Ein besonderes Augenmerk galt dabei der Repräsentation von bestimmten Führerschafts-, Gehorsams- und Disziplinidealen in der irakischen Jugendbewegung und ihrer Behandlung im nationalistischen Diskurs. Quellen waren neben den genannten Zeitungen vor allem Memoiren von Intellektuellen und Politikern.
In den ersten beiden Jahren der Projektlaufzeit sammelte der Bearbeiter Material in Bibliotheken und Archiven in Berlin, London, Tel Aviv und Jerusalem, sowie Damaskus. Erste Ergebnisse der Auswertung wurden anlässlich mehreren Konferenzen auf nationaler und internationaler Ebene vorgestellt und zur Veröffentlichung vorbereitet.
Bei dem Teilprojekt handelt es sich gleichzeitig um die Doktorarbeit des Bearbeiters an der Universität Bonn. 2003 stellte der Bearbeiter die Dissertation fertig und reichte sie Anfang August bei der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn ein. Das Rigorosum erfolgte im November, die Veröffentlichung wird für den Herbst 2004 oder für das Frühjahr 2005 erwartet. Zuvor erscheint der Sammelband "Blind für die Geschichte? Arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus" in der Schriftenreihe des Zentrums Moderner Orient. Die vom Bearbeiter mit herausgegebene Aufsatzsammlung beruht auf den Vorträgen einer internationalen Konferenz, die im Rahmen des Projekts im Herbst 2002 am ZMO stattfand. Seit September 2003 ist der Bearbeiter beurlaubt, um eine Vertretungsstelle als Historiker an der Universität al-Akhawayn in Ifrane, Marokko wahrzunehmen.

Projektpublikationen

Teilprojekt 2

Täter und Opfer. Arabische Erfahrungen nationalsozialistischer Herrschaft, 1933-1945

Prof. Gerhard Höpp

Zusammenfassung des Abschlussberichts

Thomas Zitelmann: Vorbemerkung zum Abschlußbericht des Teilprojektes 3/6-2

Am 13. Juni 2003 brach Gerhard Höpp, während seiner Recherchen im Archiv des Auswärtigen Amtes, zusammen. Er sollte bis zu seinem Tode, Anfang Dezember 2003, nie mehr die Gelegenheit finden, weiter an seinem Projekt zu arbeiten.
Dieser Abschlußbericht beruht dennoch im wesentlichen auf Gerhard Höpps eigenen Texten. Soweit sich dies aus den Dokumenten eines PC's recherchieren lässt, hat Gerhard Höpp bis zum März 2003 an der Bearbeitung eines die Forschung zum Teilprojekt zusammenfassenden deutschen Textes (Im Schatten des Mondes) gearbeitet. Dieser Text ist hier als inhaltlicher Ergebnisbericht integriert. Praktisch hatte Gerhard Höpp seine empirischen Forschungen im November 2002 mit Recherchen im Konzentrationslager Buchenwald und im SS-Sonderlager Hintzert (siehe Anhang 1., Archivforschungen) beendet. Geplante Forschungen für das Jahr 2003 konnte er nicht mehr umsetzen. Berichte für die erste und die zweite Forschungsphase des Projektes hat Gerhard Höpp für das Jahrbuch der Geisteswissenschaftlichen Zentren (2001, 2002) selbst verfasst. Diese Berichte sind hier als sachlicher Forschungsbericht zusammengefasst.
Ergänzend zu den Veröffentlichungen (siehe Anhang 2) und dem hier abgedruckten Ergebnisbericht hat Gerhard Höpp zwei längere unveröffentlichte Texte hinterlassen. Ein Text (Datenbanken und andere 'Gedächtnisorte' ) entstand als interner Vortrag am Zentrum Moderner Orient und schildert den pragmatischen Forschungsprozeß in den von ihm untersuchten Konzentrationslagern. Hier dominiert die lokale Perspektive der Forschung. An dem anderen Text, 'Blind für die Geschichte?': Arabische Nationalisten und der Nationalsozialismus. Anmerkungen zum Umgang mit einer Geschichtsepoche, arbeitete Gerhard Höpp kontinuierlich. Die Grundfassung diente im September 2000 als Beitrag zu einer Konferenz des Instituts für Antisemitismusforschung der TU Berlin. Dieser Text bildet ein Bindeglied zwischen seinen älteren Forschungen zu muslimischen Migranten in Mitteleuropa, dem Projekt Täter und Opfer und seinem geplanten Projekt zu Weltkriegserfahrungen. Verbindendes Glied beider Texte ist die Frage, wie sich kollektive Erinnerung und Vergessen strukturieren.
Unter Verwendung von aktuellen Paradigmen der Diskussion um Erinnerung und Vergessen hat Gerhard Höpp im Detail gezeigt, wie Araber und Muslime über eine grundsätzliche kolonialistische Codierung als Opfer ausgeblendet wurden, und das bereits bevor sie eine Opferrolle erhielten. In den Aktenbeständen der Konzentrationslager kommen Araber kaum vor. Häftlinge mit einem Hintergrund in arabischen Ländern waren dort überwiegend als Franzosen registriert. Von 307 Häftlingen, die im Rahmen des Projektes in einer Datenbank registriert wurden, wurden 39% (119) als Frz. Politisch, 21 % (66) als Frz. Schutzhäftlinge, 28% (86) ohne weitere Hintergrundangaben, 7% (22) als Araber unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichem Häftlingsstatus, 1 % als Spanier oder Italiener und 4 % mit anderem Status (asozial, Polizeihäftling, Nacht und Nebel [NN], Abschiebehäftling ohne weitere Angaben) kategorisiert. In der in Vorbereitung befindlichen Veröffentlichung Der verdrängte Diskurs zeichnete Gerhard Höpp Einzelschicksale nach, die sich hinter den statistischen Angaben verbergen.
Ein bildhaftes Belegstück für die Vorgeschichte dieser kolonialistischen Codierung hat Gerhard Höpp in einem Foto aus dem Jahre 1942 gefunden. Der Bildunterschrift nach fahren Französische Arbeiter, im Austausch für französische Kriegsgefangene, nach Deutschland. Das Bild macht deutlich, daß es sich um Arbeiter nordafrikanischer Herkunft handelt. Das Thema der nordafrikanischen Arbeiter im Kriegsdeutschland und das der französischen Kriegsgefangenen nordafrikanischer Herkunft hat Gerhard Höpp im Verlauf seiner Forschung zunehmend beschäftigt. Diesem Thema dienten auch die Recherchen im Archiv des Auswärtigen Amtes, die er nicht mehr abschließen konnte.
Neben der von Türkân Yilmaz betreuten Datenbank, deren Material auch den unterstützenden Archiven und Gedenkstätten zur Verfügung gestellt werden wird, hat Gerhard Höpp umfangreiche Sammlungen zu den einzelnen Konzentrationslagern und zu Arabern im spanischen Bürgerkrieg hinterlassen. Dieser Nachlass wird gegenwärtig von Sophie Wagenhofer bearbeitet und wird weiterer Forschung zur Verfügung stehen. Von Seiten des ZMO ist geplant, aus den veröffentlichten und unveröffentlichten Skripten zum Teilprojekt 3/6-2 eine zusammenhängende Monographie zu erstellen.
Der folgende Abschlußbericht setzt sich zusammen aus dem sachlichen Forschungsbericht, dem inhaltlichen Ergebnisbericht und einem Anhang. Im Anhang finden sich eine tabellarische Zusammenfassung der Archivforschungen, eine Liste der Veröffentlichungen, Vorträge und Skripte aus dem Teilprojekt, jeweils eine Kopie der bisherigen Veröffentlichungen sowie die nach Konzentrationslagern geordneten Druckfassungen der Listen arabischer Häftlinge, die in der Datenbank dokumentiert sind.

Täter und Opfer. Arabische Erfahrungen nationalsozialistischer Herrschaft
(Gerhard Höpp)

Sachlicher Forschungsbericht
Das Teilprojekt untersuchte die Situationen, Lebensverhältnisse und Erfahrungen von Arabern, die v.a. während des Zweiten Weltkrieges im von Deutschland okkupierten bzw. kontrollierten Europa, darunter im Reich selbst, und in Nordafrika nationalsozialistische Herrschaft erlebten. Dabei handelte es sich um Gruppen, die in besonderen, teilweise sehr unterschiedlichen Beziehungen zum nationalsozialistischen Regime standen, sowohl Täter als auch Opfer waren: Mitarbeiter seines Propagandaapparates, Legionäre der Wehrmacht und der Waffen-SS, Teilnehmer am spanischen Bürgerkrieg, Angehörige der Organisation Todt und des Reichsarbeitsdienstes, Wissenschaftler und Studenten, Schriftsteller und Publizisten, Kriegsgefangene und Zivilinternierte, Gefängnis- und KZ-Insassen sowie Juden aus arabischen Ländern.
Die Rekonstruktion und Veröffentlichung ihrer Erlebnisse und Schicksale sollen grundsätzlich dazu beitragen, gemeinsame Geschichte auszuleuchten und dadurch ihre "Parzellierung" infolge von "Erinnerungspolitik" überwinden zu helfen; im besonderen sollen sie in die "Erinnerungsräume" eingebracht werden und dadurch helfen, das homogenisierte Bild arabischer Begegnungen mit dem Nationalsozialismus aufzulösen und zu differenzieren.

Erste Forschungsphase
Im Zuge einer bisher v.a. aus binnenfachlichen, methodologischen und politischen Gründen einseitigen, z.T. mythologisierenden und im Nahostkonflikt instrumentalisierten Geschichtsschreibung war u.a. die arabische Seite in den deutsch-arabischen Beziehungen zwischen 1933 und 1945 bis auf wenige prominente Ausnahmen anonymisiert sowie als "Täter" pauschaliert worden. Das verstellte nicht nur den Blick für mögliche Differenzierungen und gar Widersprüche unter den Tätern, sondern machte offenbar auch die Frage danach überflüssig, ob und wie Araber seinerzeit nationalsozialistische Politik und Ideologie anders, etwa als Opfer, erlebten und ggf. reflektierten. Nur in Ausnahmefällen wurden in der Literatur andere als prominente Täter erwähnt, ohne indessen Platz für ihre Motive, Lebensverhältnisse und Schicksale zu lassen. Arabische Opfer wurden - mit Ausnahme von nordafrikanischen Juden - in der Regel gar nicht genannt, auch nicht in der arabischen Historiographie.
Die im Rahmen des Teilprojektes angestrebte Rekonstruktion möglichst vielfältiger arabischer Erlebnisse unterm Nationalsozialismus v.a. aus Archivalien und z.T. aus der Erinnerungsliteratur sollte dazu beitragen, die Geschichte der deutsch-arabischen Beziehungen zwischen 1933 und 1945 stärker auszuleuchten, ihre "Parzellierung" durch bisherige Geschichtsschreibung überwinden, das entstandene homogenisierte Bild arabischer Begegnungen mit dem Nationalsozialismus auflösen und differenzieren zu helfen und so in die "Erinnerungsräume" einzubringen.
Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen arabische Kombattanten in der deutschen Wehrmacht und auf beiden Seiten des spanischen Bürgerkriegs, zivile und militärische Mitarbeiter im nationalsozialistischen Propaganda- und Nachrichtenapparat, Studenten und Akademiker und deren Organisationen sowie arabische Muslime und deren Organisationen im Reich; arabische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Zivilinternierte, Gefängnis- und KZ-Insassen.
Methodologisch orientiert sich der Bearbeiter an verschiedenen, sich z.T. überlagernden Diskursen der "Middle-East"-Historiographie, der Nationalsozialismus-Forschung, v.a. zur Erinnerungs-, zur Täter-Opfer- und zur Kollaborationsproblematik, sowie der erinnerungsgeschichtlichen und der biographischen Forschung.
Im ersten Jahr stand neben dem Abschluß der gewissermaßen als Brücke dienenden Edition "Mufti-Papiere" aus dem vorigen Teilprojekt die Materialsuche und -sicherung für das neue Projekt im Vordergrund. Der Bearbeiter konzentrierte sich dabei auf das offenkundigste Desiderat der Forschung, auf arabische Opfer nationalsozialistischer Herrschaft, hier zunächst und vor allem auf Häftlinge in deutschen Konzentrationslagern. Diese Opfergruppe erschien ihm als die überschaubarste und mit Hilfe v.a. von Datenbanken am besten nachzuweisen.
Es hatte sich nach Antragstellung gezeigt, daß die reichsten Quellen dafür nicht, wie angenommen, in den Archiven, sondern in den KZ-Gedenkstätten zu finden sind, die mittlerweile auch die personenbezogenen Daten der Häftlinge computermäßig erfaßt hatten. Deshalb änderte der Bearbeiter seinen Arbeitsplan und besuchte z.T. mehrmals die Gedenkstätten der ehemaligen KZ Mauthausen, Buchenwald, Bergen-Belsen, Sachsenhausen, Mittelbau-Dora und Flossenbürg, wo er dank bereitwilliger Unterstützung der dortigen Archivare überraschend viel Material über (muslimische, christliche und jüdische) arabische Häftlinge fand und sichern konnte. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Gedenkstätten der KZ Dachau, Neuengamme, Auschwitz, Groß-Rosen, Stutthof und Majdanek, mit denen er korrespondiert, stellten ihm großzügig die ebenfalls erstaunlich umfangreichen Ergebnisse ihrer Recherchen zur Verfügung.
Der Bearbeiter konnte in der ersten Forschungsphase etwa 300 Häftlinge aus den meisten arabischen Ländern in allen nationalsozialistischen Konzentrationslagern nachweisen und in einer Datenbank erfassen. Araber gehörten also nicht zu den Ausnahmen, sondern zur Regel nationalsozialistischen Terrors. Erste Ergebnisse über Haftgründe, -wege und -schicksale, über die Stellung arabischer Häftlinge in der Häftlingsgesellschaft und über ex post-Erfahrungen wurden im Zentrum vorgestellt und werden veröffentlicht.
Des weiteren recherchierte der Bearbeiter nach arabischen Zwangsarbeitern. Dafür besuchte er zunächst Berliner und Brandenburger Archive sowie die Staatsarchive in Leipzig, Meiningen und Gotha. Die beiden Letzteren verfügen über Datenbanken, die das Auffinden personenbezogener Angaben erleichterten. Die Recherchen förderten nicht nur umfangreiches Material über diese Opfergruppe zutage, die weitaus größer als die der KZ-Häftlinge ist, sondern auch über arabische Internierte sowie Häftlinge in Gefängnissen und Zuchthäusern; letztere erwiesen sich oft als wegen "Arbeitsvertragsbruchs" und anderer Delikte verfolgte Zwangsarbeiter, die nicht selten - wie Namensvergleiche belegen - in Konzentrationslager eingewiesen wurden. Arabische Kriegsgefangene v.a. aus dem französischen Heer bilden eine weitere Opfergruppe, zu denen v.a. im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin recherchiert wurde.
Die Ereignisse vom 11.September 2001 in den USA haben schließlich den Bearbeiter veranlasst, sich in Artikeln und in Vorträgen namentlich an Berliner Schulen über das Verhältnis von Islam und Islamismus zu Frieden, Krieg und Terror zu äußern.

Zweite Forschungsphase
In der zweiten Phase wurde die Recherche nach arabischen KZ-Häftlingen in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück in Fürstenberg/Havel und der Gedenkstätte des SS-Sonderlagers Hinzert in Osthofen fortgesetzt. Der Bearbeiter konnte auch das Angebot des ehemaligen Natzweiler- und Dachau-Häftlings Ernest Gillen in Luxemburg wahrnehmen und sein umfangreiches Privatarchiv zum Konzentrationslager Natzweiler-Stutthof auswerten sowie durch seine Vermittlung Einblick in Unterlagen des Conseil National de la Résistance/ Centre de Documentation et de Recherche nehmen; das war deshalb so wichtig, weil die Nutzung des erst im Aufbau begriffenen französischen Dokumentationszentrums für das KZ Natzweiler derzeit nicht möglich ist. Mit dem Besuch im Service des Victimes de la Guerre in Brüssel, einer Behörde des belgischen Sozialministeriums, wurden die Recherchen zu den arabischen KZ-Häftlingen im wesentlichen abgeschlossen; die dort gelagerten, bisher kaum bekannten und genutzten Archivalien gaben Hinweise auf arabische Häftlinge namentlich in den Lagern Lublin-Majdanek und Auschwitz.
Der Bearbeiter hat bisher etwa 450 arabische KZ-Häftlinge namhaft machen können, die von der studentischen Hilfskraft Türkân Yilmaz in einer Datenbank erfaßt wurden. Ergebnisse zu diesem Aspekt seiner Forschungen wurden in dem Beitrag "Datenbanken und andere 'Gedächtnisorte'. Auf der Suche nach arabischen KZ-Häftlingen" auf der Projektversammlung am 14. Februar 2002 im Zentrum sowie in drei Aufsätzen vorgestellt. Der Bearbeiter hat auch an Sendungen des arabischen Fernsehsenders al-¹azÍra ( gesendet am 4.1.2003) und des Norddeutschen Rundfunks (gesendet am 27.1.2003) über arabische Nazi-Opfer mitgewirkt.
Der Bearbeiter recherchierte im Berichtszeitraum zu weiteren Opfergruppen, v.a. zu arabischen Zwangsarbeitern und Opfern der nationalsozialistischen Justiz. Dabei beschränkte er sich auf ausgewählte Regionen: den berlin-brandenburger Raum, das mitteldeutsche Industrierevier, das Ruhrgebiet, Emsland und Österreich. Er wertete Bestände des Bundesarchivs und des Landesarchivs in Berlin, des Brandenburgischen Landeshauptarchivs in Potsdam, der Staatsarchive in Gotha, Leipzig, Meiningen und Rudolstadt, des Stadtarchivs in Jena, des Österreichischen Staatsarchivs/ Archiv der Republik und des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands sowie des Service des Victimes de la Guerre in Brüssel aus. Die Recherchen werden 2003 durch Besuche im Staatsarchiv Merseburg, im Stadtarchiv Dresden, im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und im Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager fortgesetzt und beendet.
Zwischenergebnisse dieser seiner Forschungen hat der Bearbeiter auf dem Workshop "Arab Encounters with National Socialism" unter dem Titel "Blind Angles. Arab Inmates in German Concentration Camps and other Victims of National Socialism" präsentiert.
Die Recherchen zu arabischen Teilnehmern am Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939 v.a. im Bundesarchiv/ Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAPMO), im Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin und im Centre d'Etudes et de Documentation Guerre et Sociétés contemporaines (CEGES) in Brüssel wurden abgeschlossen. Ergebnisse wurden in einem Aufsatz für die Zeitschrift "INAMO" zusammengefaßt. Ergebnisse der Recherchen über arabische Studenten und Studentenorganisationen im nationalsozialistischen Deutschland sind in einem Sammelband über die deutsch-ägyptischen Beziehungen veröffentlicht worden.

Inhaltlicher Ergebnisbericht
Gerhard Höpp: Im Schatten des Mondes. Arabische Opfer des Nationalsozialismus

Vor etwa zehn Jahren schrieb Ina Friedman in der Einleitung zu ihrem Buch "The Other Victims": Fünfzig Jahre nach dem Holocaust glauben viele Leute, daß nur Juden Opfer der Nazis waren. Das ist nicht richtig. Während sechs Millionen Juden im Holocaust getötet wurden, wurden auch fünf Millionen Christen mit Vorbedacht von den Nazis umgebracht. Muslime, Hindus, Buddhisten oder Shintoisten, gar Atheisten, um im Sprachgebrauch der Autorin zu bleiben, befinden sich scheinbar außerhalb ihres Gesichtskreises.
Dieser Umstand soll hier weniger Kritik auslösen als vielmehr die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie wenig offenbar Menschen außerhalb der christlich-jüdischen Zivilisation als Betroffene, namentlich als Opfer nationalsozialistischer Herrschaft an- und wahrgenommen werden. Das schließt Araber, um die es hier geht, und andere Angehörige afrikanischer und asiatischer Völker ein, die sich zwischen 1933 und 1945 im Herrschafts- und Einflußbereich des Nationalsozialismus befanden. Ihre Begegnungen mit ihm haben - ganz im Gegensatz zu jenen der Täter wie des notorischen Großmuftis von Jerusalem, Amin al-Husseini - im kollektiven Gedächtnis der Völker - auch der eigenen - keinen festen Platz gefunden; ihr Leiden unter ihm und auch ihr Kampf gegen ihn befinden sich gewissermaßen im Schatten des Mondes.
Dafür gibt es Gründe.
Neben dem eingeschränkten kulturellen, historischen und politischen Horizont ist die augenscheinlich immer noch nicht ausreichende Vorstellungskraft von der Totalität des Zugriffs und von der Vielfalt der Verfolgungs- und Repressionsmethoden des Nationalsozialismus zu nennen. Hinzu kommt, daß die Erinnerungen nichtjüdischer und nichtchristlicher bzw. außereuropäischer Opfer nationalsozialistischer Unterdrückung - im Unterschied zu denen der Täter - nur sehr selten aufgeschrieben und so gut wie gar nicht verbreitet wurden, und in den publizierten Erinnerungen ihrer europäischen Leidensgefährten finden sich nur wenige Hinweise auf sie und ihr Schicksal. Das gilt auch für die arabischen Opfer.
Zu diesen allgemeinen "Gefährdungen der Erinnerung" trat im Kontext des arabisch-israelischen Konflikts eine Geschichts- und Erinnerungspolitik, die unter anderem durch "Opfermonopolisierung" versucht, auch das Leiden von Angehörigen der jeweils anderen Seite durch den Nationalsozialismus gering zu schätzen, zu ignorieren oder sogar zu leugnen. Das hat dazu beigetragen, das zumindest über die arabischen Opfer (und auch Gegner) des Nationalsozialismus nicht geredet wird: Es gibt zwar einen Diskurs der arabischen Täter, aber keinen der arabischen Opfer.
Wir sind also, wenn wir so etwas wie historische Gerechtigkeit erstreben wollen, auf eine "Rekonstruktion" der Erinnerung an sie angewiesen. Dafür stehen uns Quellen, meist Archivalien, zur Verfügung, die zum größten Teil von ihren Verfolgern und Peinigern stammen. Bei ihrer Auswertung begegnet man weiteren "Gefährdungen der Erinnerung". Die auffälligste ergibt sich aus dem Umstand, daß in diesen Quellen Araber ebenso wie Angehörige anderer afrikanischer und asiatischer Völker in der Regel als Staatsangehörige der jeweiligen Kolonialmächte genannt werden, also kolonialistisch codiert sind; sie erscheinen darin vor allem als "Franzosen", seltener als "Spanier" und "Italiener". Ihre Identifizierung ist folglich nur über Namen und Geburtsorte möglich.
Vor diesem Hintergrund habe ich in den zurückliegenden Jahren vor allem in belgischen, deutschen und österreichischen Archiven nach arabischen Opfern des Nationalsozialismus recherchiert . Ich meine damit Menschen, die besonders in Deutschland und im besetzten Europa unmittelbare und meist lebensbedrohende, auf jeden Fall extreme Begegnungen mit dem nationalsozialistischen Repressionsapparat hatten. Die Quellen lassen bisher sieben Repressionssituationen bzw. Opfergruppen erkennen, die kaum oder gar nicht untersucht worden sind. Ich nenne sie nur stichwortartig und anhand von wenigen Beispielen; sie erscheinen in einer Reihenfolge, die die Chronologie der Situationen und den mit ihnen verbundenen, synchron ansteigenden Leidensdruck der Betroffenen berücksichtigt.

1. Die alltägliche Belästigung und Verfolgung arabischer Migranten in Deutschland und Österreich vor dem Zweiten Weltkrieg.
Im Januar 1932 informierte das ägyptische Konsulat die Sicherheitsbehörden in Wien davon, daß Nationalsozialisten ägyptische Studenten in Graz angepöbelt und verprügelt hatten und daß "merkwürdigerweise" nur die Ägypter von der Polizei festgenommen worden waren. Die Behörden veranlaßten eine gerichtliche Untersuchung, die mit dem Freispruch der nationalsozialistischen Täter endete; sie sah jedoch davon ab, das Konsulat davon zu unterrichten, "solange dieses auf die Sache nicht von selbst zurückkommt". Ein Beamter hatte übrigens hinter die Namen von drei der bei dem Überfall verletzten Ägypter mit Bleistift das Wort "Jude" geschrieben. Im Februar 1934 beklagte sich die ägyptische Gesandtschaft in Berlin beim Reichsinnenministerium darüber, daß ein ägyptischer Student in einem Tübinger Tanzlokal angepöbelt worden war; weil er "schwarz" und von "niedriger Rasse" sei, dürfe er nicht mit einer "Deutschen" tanzen, hatte der Täter gemeint und zugeschlagen. Er blieb straffrei. Bereits im Juli 1933 hatten die Diplomaten angefragt, ob das in der selben Stadt verfügte Verbot für "Fremdrassige", die öffentlichen Freibäder zu benutzen, auch für Ägypter gelte; im Mai 1934 teilte ihnen das Auswärtige Amt mit, das Verbot beschränke sich auf "Juden".

2. Die Sterilisierung der sog. Marokkaner-Mischlinge.
Im Frühjahr 1937 verfügte eine am Sitz der Gestapo in Berlin gebildete Sonderkommission die unauffällige Sterilisierung der Rheinlandbastarde. Das waren Kinder und Jugendliche, die während der französischen Rheinlandbesetzung in den zwanziger Jahren von farbigen Soldaten, darunter Nordafrikanern, und deutschen Frauen gezeugt worden waren. Unter ihnen, etwa 600 Personen, waren zahlreiche Kinder von Marokkanern, sog. Marokkaner-Mischlinge . Sie wurden im Sommer 1937 als Träger artfremden Blutes unfruchtbar gemacht .

3. Die Internierung arabischer Migranten bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.Unmittelbar nach Beginn des Krieges wurden in Deutschland, im annektierten Österreich und im besetzten Polen Angehörige sogenannter Feindstaaten interniert. Unter ihnen waren über 100 Araber, vor allem Ägypter, auch Iraker, Libanesen und Algerier. Die Ägypter wurden auf Anordnung Himmlers als Geiseln für die von den Briten in Ägypten internierten Deutschen auf die Wülzburg bei Nürnberg gebracht - "in dem Verhältnis, daß auf je einen in Ägypten internierten Deutschen zwei Ägypter bei uns" kommen. In Freiheit sollten nur diejenigen bleiben, "deren Tätigkeit uns nachweisbar von Nutzen ist". Die Internierten wurden erst im Juni 1941 mit propagandistischem Lärm aus dem Lager entlassen; einige waren schwer erkrankt, andere wurden anderswo eingesperrt.

4. Die Kriegsgefangenschaft arabischer, namentlich nordafrikanischer Soldaten des französischen Heeres. Das Schicksal dieser großen Opfergruppe ist von der Forschung bisher kaum untersucht worden . Obwohl separat von den "weißen" französischen Gefangenen untergebracht, ist die Identifizierung der Araber als eigene Gruppe allerdings schwierig, weil sie von den Deutschen zusammen mit Senegalesen und Madegassen meist pauschal als "Schwarze und Farbige" registriert wurden. Die Mehrheit befand sich in sog. Frontstalags in Frankreich und Belgien, also außerhalb der Grenzen des Reiches; 1940 sollen es über 67000, 1944 noch etwa 30000 gewesen sein; etwa 10000 befanden sich in deutschen und österreichischen Stalags. Über ihre Lebensbedingungen ist wenig bekannt. Eine bevorzugte Behandlung aus propagandistischen Gründen wie im Ersten Weltkrieg fand, obwohl von zivilen Stellen im Reich gelegentlich gefordert, nicht statt. Sicher ist nur, daß die Mortalität vor allem in den Stalags außerordentlich hoch war, weswegen ab 1942 viele Gefangene "aus klimatischen Gründen" in südfranzösische Lager verlegt wurden.

5. Die Anwerbung und Verpflichtung arabischer Arbeiter in Frankreich und Nordafrika.
Auch zu dieser großen Opfergruppe wurde kaum geforscht . 1943 sollen allein etwa 40000, 1944 etwa 60000 Algerier für das nationalsozialistische Deutschland gearbeitet haben. Davon war ungefähr je ein Drittel für die Organisation Todt und für französische Subunternehmen in verschiedenen Teilen des Reiches und des besetzten Europa tätig; ein Drittel bestand aus ehemaligen Kriegsgefangenen, deren Status in den von Zivilarbeitern geändert worden war. Von 1941 bis 1943 wurden unter den Arabern in Frankreich und - bis zur Landung der Alliierten im November 1942 - auch in Nordafrika "Freiwillige" angeworben. Mit der Einführung des "Service de travail obligé" durch das Vichy-Regime im Februar 1943 wurden nun auch arabische Arbeitsmigranten in Frankreich zur Arbeit für Deutschland gezwungen. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen verschlechterten sich rapide. Es gibt Belege dafür, daß sich schon Ende 1942 die Lage der bei I.G. Farben in Auschwitz-Monowitz beschäftigten algerischen und marokkanischen Zivilarbeiter jener der dort inhaftierten KZ-Häftlinge angeglichen hatte. Die Sterblichkeit war hoch. Die Folge des Arbeitszwangs und der verschärften Ausbeutung waren rapide zunehmende Fluchtversuche und Verstöße gegen die "Arbeitsordnung".

6. Die polizeiliche und juristische Verfolgung von Arabern im Reich und im besetzten Europa.
Seit 1943 nahm die polizeiliche und juristische Verfolgung von Arabern im Reich und in den besetzten Gebieten deutlich zu; das belegen u.a. Einträge in Fahndungsbüchern, Akten der Staatsanwaltschaften und Zugangsbücher der Gefängnisse und Zuchthäuser. In den etwa 70 Fällen, die ich bisher untersucht habe, waren vor allem arabische Arbeitsmigranten und Zivilarbeiter sowie Kriegsgefangene die Verfolgten. Unter den Migranten, die bereits vor 1939 ins Reich und nach Österreich gekommen waren, gab es aktive Gegner des Nationalsozialismus, die u.a. wegen "Hochverrats" zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt wurden; ein arabischer Student wurde wegen "Beihilfe zur Fahnenflucht" eines Wehrmachtsangehörigen in ein Konzentrationslager eingeliefert. Die verpflichteten Zivilarbeiter wurden meist wegen "Arbeitsbummelei", "Arbeitsverweigerung" und "Verlassen des Arbeitsplatzes" verurteilt, aber auch wegen "Diebstahls" und "Brotmarkenfälschung". Die zuletzt genannten, oft aus Hunger begangenen Delikte wurden als "Kriegswirtschaftsverbrechen" bewertet und mit Zuchthaus, sogar mit dem Tode bestraft. In mehreren Fällen wurden "Arbeitsvertragsbrüchige" in sog. Arbeitserziehungslager der Gestapo eingewiesen, "Arbeitsscheue" und "Volksschädlinge" in Konzentrationslager. "Diebstahl" wurde auch Kriegsgefangenen vorgeworfen; hinzu kamen "Meuterei", "Körperverletzung" und "Vergewaltigung", also Straftaten, die besonders durch ihre elende und isolierte Situation begünstigt wurden. Die Sterberate der arabischen Gefängnishäftlinge war hoch.

7. Die Verfolgung arabischer Gegner des NS-Regimes im Reich und in den besetzten Gebieten.
Araber sind auch wegen Gegnerschaft zum Nationalsozialismus sowie aktiven Widerstands gegen sein Regime verfolgt worden. Nach Kriegsbeginn waren Araber am bewaffneten Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft beteiligt und deshalb besonderer Verfolgung ausgesetzt. In Algerien wandte sich der Widerstand v. a. gegen das mit den Nationalsozialisten kollaborierende Vichy-Regime. Eine besondere Gruppe bildeten die sog. NN-Häftlinge. Die Bezeichnung und der Status dieser Gefangenen rührten von den am 7. Dezember 1941 vom Chef des OKW Wilhelm Keitel erlassenen Richtlinien für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten und einem Begleitschreiben vom 12. Dezember her. Dass Araber auch vollkommen willkürlich verdächtigt und in Haft genommen wurden, verdeutlicht der Bericht eines französischen Deportierten. Ihm begegnete im Gefängnis Fort de Montluc in Lyon unter Widerstandskämpfern, spanischen Emigranten und Juden ein Tunesier, der, vollkommen konsterniert, sich dort zu befinden, unaufhörlich sagte: Nur nicht darüber nachdenken, mein Freund.

8. Arabische Häftlinge in nationalsozialistischen Konzentrationslagern.
Diese Opfergruppe stand im Mittelpunkt meiner Recherchen . Ich habe bisher über 450 Häftlinge namentlich ermitteln können. Es gab sie in allen Konzentrationslagern: in Auschwitz (34), Bergen-Belsen (21), Buchenwald (149), Dachau (84), Flossenbürg (39), Groß-Rosen (12), Mauthausen (62), Mittelbau-Dora (39), Natzweiler (37), Neuengamme mit Außenlager Aurigny (110), Ravensbrück (25), Riga-Kaiserwald (1), Sachsenhausen (42), Stutthof (3), Warschau (2) und Wewelsburg (2) sowie im SS-Sonderlager Hinzert (3), im Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck (7) und im Vernichtungslager Majdanek (4). Die Mehrheit stammte aus Nordafrika - aus Algerien (247), Marokko (27) und Tunesien (22); einige kamen aus Ägypten (5), dem Irak (4), Libanon (1), Palästina (4) und Syrien (1). Von 140 Häftlingen konnte die Herkunft noch nicht festgestellt werden. Die meisten waren Muslime. In Buchenwald, Flossenbürg und Ravensbrück waren auch Frauen inhaftiert.
Die Quellen geben nur wenige Hinweise auf die Gründe für die Einweisung dieser Menschen in die Lager. Mindestens fünf sind aber erkennbar:

1. Die Teilnahme am Widerstandskampf gegen die Nazis in der französischen Résistance oder seine Unterstützung. Solche Häftlinge waren oft aufgrund des "Nacht-und-Nebel-Erlasses" verhaftet und, mit der SS-Kategorie NN versehen, vor allem in die Lager Groß-Rosen, Mauthausen, Natzweiler und Hinzert verbracht worden, wo sie isoliert und einer "Sonderbehandlung" unterzogen wurden.
2. Die Geiselnahme von Sympathisanten der Widerstandsbewegung. Diese Menschen wurden v.a. seit Frühjahr 1944 aufgrund des sog. Sperrle-Befehls verhaftet und meist nach Neuengamme gebracht, wo die Sterblichkeit der Gefangenen besonders hoch war.
3. Die Teilnahme an der Verteidigung der Republik im Spanischen Bürgerkrieg. Die meisten der mit der SS-Kategorie "Rotspanier" versehenen Häftlinge, unter ihnen Araber, kamen vorzugsweise nach Mauthausen.
4. Die Zugehörigkeit zum Judentum. Abgesehen von den sog. Austauschjuden aus Jemen und Libyen in Bergen-Belsen , befanden sich vor allem Juden aus Algerien unter den arabischen Häftlingen. Ich fand allerdings nur relativ wenige, die aus Drancy kamen und die SS-Kategorie "Jude" erhielten. Vermutlich wurden manche von ihnen für Muslime oder Christen gehalten oder vielleicht sogar ausgegeben, was sie vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt haben mag.
5. Die große Mehrheit der Häftlinge waren ehemalige Zivilarbeiter und Kriegsgefangene aus dem Reich und den besetzten Gebieten, v.a. aus Frankreich; sie waren aus den bereits erwähnten Gründen und infolge von "Auskämmaktionen" und "Säuberungen" in die Lager eingeliefert wurden.

Die Haftbedingungen der Araber, über die kaum Details bekannt sind, dürften denen der anderen nichtjüdischen, nichtpolnischen und nichtrussischen Häftlinge ähnlich gewesen sein; das gilt auch für ihre Sterblichkeitsrate von ca. 20 Prozent.
Gelegentlich wird die Frage nach rassischen Gründen für die nationalsozialistische Verfolgung von Arabern gestellt und verneint . Was die Einlieferung in Konzentrationslager und andere Haftanstalten betrifft, so habe ich in der Tat nicht den Eindruck gewonnen, daß ihre Zugehörigkeit zu einer - wie es im Nazi-Jargon hieß - "Rasse artfremden Blutes" dafür ausschlaggebend gewesen war und eine "Sonderbehandlung" bewirkt hätte: Die meisten Araber waren auf gleiche Weise wie Millionen anderer Menschen den Nazis in die Hände gefallen und ihrem alltäglichen Terror ausgesetzt. Dieser Terror war allerdings rassistisch strukturiert, und das bekamen auch Araber zu spüren: Arabische Migranten waren, wie erwähnt, wegen Zugehörigkeit zu "einer niederen Rasse" angegriffen worden. Kinder von Arabern wurden als Träger artfremden Blutes sterilisiert. Arabische Kriegsgefangene sollten als "Farbige" grundsätzlich außerhalb der Reichsgrenzen gehalten sowie in den Lagern von den "Weißen" getrennt werden. Bei juristischer Verfolgung von arabischen Straftätern hat sich ihre "Farbigkeit" nachweislich als strafverschärfend erwiesen, und Menschen wie die "Asoziale" Lucie M. waren, mit der SS-Kategorie "Marokkanermischling" versehen, eindeutig aus rassistischen Gründen ins KZ Ravensbrück eingeliefert worden.

Arbeitsergebnisse

Teilprojekt 3

Die palästinensischen Araber und der Nationalsozialismus – Zeitgenössische Ansichten und Erfahrungen 1933-45

René Wildangel

Zusammenfassung des Abschlussberichts
(noch nicht verfügbar)