Forschung

Projekte 2004-2005

 
 

Projekte 2014-2019

Projekte 2008-2013

Projekte 2006-2007

Projekte 2004-2005

Projekte 2000-2003

Projekte 1996-2000

DFG - Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis PDFLog

 

 

Translokalität im Sahara-Sahel-Raum

Dr. Elisabeth Boesen
Dr. Baz Lecocq
Dr. Laurence Marfaing

Das Projekt hat Translokalitätsphänomene zum Gegenstand, die Sahara und Sahel mit dem Maghreb und westafrikanischen Küstenländern verbinden. Es zielt damit auf einen Raum, der im allgemeinen nicht als ein zusammenhängender betrachtet wird.
Zwei der drei Teil-Projekte (3.1. und 3.2.) befassen sich mit den Wanderungen modernen Typs, die Angehörige von Gruppen mobiler Pastoralisten – Fulbe-Wodaabe aus Niger sowie Tuareg aus Mali und Niger -, in verschiedene west- und nordafrikanische Länder, besonders die dortigen städtischen Zentren, unternehmen. Das dritte Teilprojekt (3.3.) widmet sich den Reisen von senegalesischen Händlern, Pilgern, Handwerkern und Fischern nach Mauretanien und Marokko. In allen Fällen geht es wesentlich um eine Analyse der Interaktion zwischen Migranten und städtischen Bevölkerung sowie der sozialen Erscheinungen, die diese Interaktion hervorbringt. Ein wichtiger Punkt der Untersuchung ist die Frage nach der jeweiligen Natur und gesellschaftlichen Bedeutung von Differenz und Fremdheit. Fremdheit kann, so die These, fixe Statusrelationen und Ausbeutungsverhältnisse begründen, sie kann aber auch Grundlage von relativ offenen und herrschaftsfreien Beziehungen sein.
Die Idee des Vergleichs, die die beiden Teilprojekte 3.1. und 3.2. verbindet, basiert auf der Annahme, dass in den modernen Migrationen und im Austausch der Nomaden mit dem städtischen Gegenüber ein Grundzug der traditionalen pastoral-nomadischen Lebensweise, nämlich daß diese selbst bereits durch "Translokalität", d.h. durch die Teilhabe an verschiedenen sozio-kulturellen Sphären gekennzeichnet ist, auf neue Weise bedeutsam wird. Das Teilprojekt 3.3. befasst sich mit den Formen der Soziabilität, die in den Beziehungen zwischen Migranten und lokalen Bevölkerungen vorherrschen, und insbesondere mit der Frage, inwieweit diese geprägt sind im Kontext derdurch die Erinnerung an die Sklaverei einerseits, durch Ressentiments, hervorgegangen aus der Kollaboration der subsaharischen Afrikaner bei der Kolonialeroberung Mauretaniens und Marokkos andererseits.

Projektpublikationen

Teilprojekt 1

Moderner Nomadismus. Viehhalter aus Zentralniger in den Küstenzentren Westafrikas

Dr. Elisabeth Boesen

Im Fall der Wodaabe, die Teil der über ganz Westafrika verstreut lebenden Fulbe-Bevölkerung sind, haben die saisonalen Wanderungen in erster Linie die großen Küstenstädte (z.B. Abidjan oder Dakar) zum Ziel. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Annahme, daß die Wodaabe-Migranten hier gewissermaßen ihre "Fremdheit" feilbieten, d.h. daß der spezifische Wert der Produkte und Dienstleistungen, die sie offerieren, wesentlich in der Herkunft der Wodaabe aus einem fremden, gefährlichen, aber auch segenbringenden Hinterland gründet. Fremdheit, verstanden als kulturelle und soziale Eigenschaft, ist, so unsere These, hier für die Beziehungen zwischen Migranten und Küstenbevölkerung konstitutiv. Sie wird auch durch die lange Dauer des Kontakts nicht überwunden, sondern bewahrt und gewissermaßen institutionalisiert. Eine auffällige Besonderheit der Wodaabe-Reisen liegt darin, daß sie vornehmlich eine Angelegenheit der Frauen sind. In dem Projekt werden darum auch die Natur und Leistungsfähigkeit weiblicher sozialer Netzwerke und die Frage nach möglicherweise distinkten weiblichen Formen der Vermittlung von Fremdheit zu untersuchen sein.

Teilprojekt 2

Moderne Migrationen der Tuareg

Dr. Baz Lecocq

In diesem Projekt werden zeitgenössische Migrationsbewegungen der Tuareg aus
Mali und Niger untersucht. Seit den Dürren der 1970er und 80er Jahre und seit
den Aufständen in den 1990er Jahren, sind Flüchtlings- und Arbeitsmigration
integraler Bestandteil des Lebens der Tuareg. Im selben Zeitraum wurde der
Fernhandel, in dem Tuareg bereits seit langem tätig waren, modernisiert und
ausgeweitet in seiner Reichweite. Obwohl die Majorität der Flüchtlinge, die
durch Dürre oder Krieg vertrieben wurden, in der Nähe ihrer Heimatgebiete
blieb, erstrecken sich ökonomische Migrationsbewegungen und
Handelsbeziehungen weit über die Tuareggebiete hinaus, bis zu den
Küstenstädten Westafrikas und zum Maghreb. Ein weiteres äußerst beliebtes
Ziel ist Mekka, wo sich manche Pilger nach der Hajj niederlassen. Ziel der
Forschung ist, sowohl die sozialen und kulturellen Transformationen und das
Anpassungsvermögen der Tuareg-Gesellschaft in diesen neu bewohnten Räumen zu
beschreiben, als auch die Auswirkungen dieses Wandels für die Gemeinschaften,
die in den Herkunftsgebieten bleiben. Außerdem wird der Frage nachgegangen,
wie interne und externe Beziehungen im Kontext einer umfassenderen
westafrikanischen und maghrebinischen Diaspora geformt werden. Wie und
inwieweit die traditionelle Identität der Tuareg als nomadische
Pastoralisten ihre modernen Migrationsbewegungen beeinflusst und inwieweit
sie sich damit von ihren sesshaften Nachbarn unterscheiden, bleibt
abzuwarten.

Teilprojekt 3

Aneignung von Raum und Dynamisierung von Beziehungen: Senegalesen in Marokko und Mauretanien

Dr. Laurence Marfaing

Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens steht das Problem der Konstituierung translokaler sozialer Räume zwischen Senegal, Mauretanien und Marokko durch senegalesische Händler, Händlerinnen, Pilger und Handwerker im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Anknüpfend an die Ergebnisse jüngerer Forschungen zur Translokalität, d.h. zur Hervorbringung grenzüberschreitender wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Räume, soll dieser Prozess hier aus der Perspektive der senegalesischen Akteure untersucht werden. Dabei geht es vor allem um die Bedeutung von Soziabilität für die Konstituierung, Verfestigung bzw. Auflösung dieser translokalen Räume. Die Soziabilität stellt hier die verschiedenen Formen der Interaktion dar, die hervorgegangen sind aus dem Bewusstsein der Zusammengehörigkeit vermischt mit den Ressentiments aus der Erinnerung an die Sklaverei während der transsaharischen Beziehungen und der Rolle, die die subsaharischen Afrikaner bei der französischen Kolonialeroberung, bzw. bei der Unabhängigkeitsbewegung, Marokkos und Mauretaniens im 20. Jh. ausübten.