Sonja Hegasy (Hrsg.), Egyptian and German Perspectives on Security in the Mediterranean. Friedrich-Ebert-Stiftung. Kairo 1998. 160 S. ISBN 971-5159.064
von Prof. Dieter Weiss, FU Berlin
Der Sammelband dokumentiert zunehmende Irritationen in Europa und in der Arabischen Welt über die Sicherheitslage im Mittelmeerraum. Zwei Tage vor Beginn der von der Friedrich-Ebert-Stiftung Kairo und dem dortigen National Center for Middle East Studies organisierten Tagung im November 1997 hatten islamistische Terroristen eine Touristengruppe in Luxor angegriffen. Sicherheitsfragen werden nördlich und südlich des Mittelmeers unterschiedlich definiert. Die deutschen Konferenzteilnehmer verstanden darunter vor allem Bedrohungen durch Migration, Drogenhandel und Terrorismus, die ägyptische Seite hingegen primär "harte" Sicherheitsaspekte wie Israels atomare Bewaffnung, seine Besetzung arabischen Territoriums und die Blockierung des Friedensprozesses. Die divergierenden Wahrnehmungen kamen in den deutschen und ägyptischen Beiträgen zum Ausdruck.
Volker Perthes (Stiftung Wissenschaft und Politik) verwies auf europäische Befürchtungen und Politikdefizite bezüglich des Nahen Ostens. Nassif Hitti (Arabische Liga) thematisierte die diffusen Grenzen zwischen "harten" und "weichen" Sicherheitsaspekten und beklagte Inkonsistenzen der europäischen Verteidigungs- und Außenwirtschaftspolitik. Christoph Zöpel (SPD Bundestagsfraktion) konzedierte, daß Europa noch keine ausgewogene geopolitische Position für den 'Umgang mit seinen Nachbarregionen entwickelt habe und stellte ein KSZE-Modell für den Nahen Osten unter Einbeziehung von Irak, Iran , Libyen und Israel zur Diskussion. Margret Johansen (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg) analysierte die Militärpotentiale der Konfliktparteien im Nahen Osten und ging auf die außenpolitische Rivalität der EU und der USA im Nahen Osten ein. Berthold Meyer (Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung) erörterte die Voraussetzungen für einen OSZE-Prozeß vor dem Hintergrund der Helsinki-Erfahrungen und verwies auf die sehr viel schwierigere Ausgangslage im Nahen Osten angesichts andauernder Gewalt, der arabischen Positionen bezüglich einer Normalisierung ihrer Beziehungen zu Israel und der Stagnation des Friedensprozesses. Mostafa Elwi Saif (Cairo University) erläuterte die Vorbehalte der ägyptischen Seite gegen europäische Sicherheitskonzepte, die man der arabischen Seite aufoktroyiere, obwohl die OSZE-Prinzipien arabischen kulturellen Prägungen nicht gerecht würden: so das Recht einer fairen Repräsentation religiöser und ethnischer Gruppen in den Streitkräften, das Recht auf Befehlsverweigerung, auf Wechsel der Religionszugehörigkeit oder das Konzept weitreichender persönlicher Freiheitsrechte.
Abdel Rahman Sabri (Arabische Liga) analysierte die handelspolitischen Vereinbarungen im Rahmen des Barcelona-Prozesses mit dem Ziel der Schaffung einer Freihandelszone bis zum Jahr 2010. Er unterstrich die Gefahren einer sozialpolitischen Destabilisierung als Folge der geforderten Anpassungsprozesse der arabischen Unternehmen an den europäischen Wettbewerbsdruck. Auch Eberhard Rhein (ehem. Direktor in der EU-Kommission für die Mittelmeer- und Nahost-Politik) teilte die Skepsis bezüglich der raschen Erreichung internationaler Wettbewerbsfähigkeit seitens der arabischen Volkswirtschaften und äußerte die Befürchtung, daß sich die sozialen Friktionen verschärfen und zumindest kurzfristig die Arbeitslosigkeit steigen werde. Erhebliche wirtschaftspolitische Korrekturen seien erforderlich, bevor die südlichen Mittelmeeranrainerstaaten erwarten könnten, wirtschaftlich überlebensfähige Partner zu werden. Annette Jünemann (Universität Kassel) leuchtete den euro-mediterranen Dialog zwischen Nicht-Regierungsorganisationen (Gewerkschaften, Universitäten, Berufsverbänden, Jugendorganisationen, Medien, Kommunen) zu Fragen von Kultur, Religion und Zivilgesellschaft aus. Problematisch erschienen Unterschiede bezüglich des staatlichen Umgangs mit Vertretern islamistischer Gruppen in Europa (z.B. Asylrecht in der BRD für islamistische Führer, die in Algerien und Frankreich verfolgt werden)
Der Band dokumentiert divergierende sicherheitspolitische Positionen in ihrer Verknüpfung mit Aspekten der Wirtschafts- und Außenhandelspolitik. Er stellt ein konstruktives Beispiel für den freimütigen Dialog auf der Ebene von Nichtregierungsorganisationen dar. Deutlich wird die weitgehende Übereinstimmung in der Einschätzung drängender sozialpolitischer Krisenpotentiale in den arabischen Mittelmeeranrainern im Zuge des Barcelona-Prozesses und ihrer sicherheitspolitischen Implikationen. In der Tat gilt es, solchen sensitiven Fragen nicht auszuweichen, sondern die anstehenden Risiken nüchtern zu benennen und den einschlägigen kooperationspolitischen Handlungsbedarf zu identifizieren. Gerade die Politischen Stiftungen leisten auf diesem Feld einen in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Krisenprävention, ein inzwischen vorrangiges Anliegen der deutschen Entwicklungspolitik. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung betonte dazu in seinem Gutachten "Islamische Bewegungen und deutsche Entwicklungspolitik" von 1991: "Solche Gespräche sind vertrauensbildend; sie können ein Netz von persönlichen Kontakten mit derzeitigen und künftigen Führungseliten in den islamischen Ländern etablieren und stärken, das auch dann tragfähig bleiben dürfte, wenn die dortigen sozialen und politischen Verhältnisse zeitweilig turbulent werden sollten."
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Reviewed by Thomas PHILIP, Frederick-Alexander University
in: MESA Bulletin 32 (1998), S. 238-239.
The term civil society has become so important in academic discourse that it is rarely absent in a research proposal. Sonja Hegasy shows that, in spite of its fashionability, the concept can be employed usefully to position and analyze certain political developments in society, Morocco in this case. She succeeds because she narrows down and defines precisely her terms and methods. She focuses on a form of socio-cultural opposition to the apparatus of the overpowering state, personalized in the king. Those opposition groups are pluralist since they emphasize heterogeneity "as an advantage" (p. 39). Hegasy thereby excludes Islamist movements from her definition of civil society. This is not typical of civil society studies, but it is convincing, because "the hostility of the religious person ... against civil society is his refusal to acknowledge the legitimacy of variety" (p. 23).
The differentiation between civil society movements and Islamic integrism helps Hegasy analyze the complex relationship between the state and civil society. On the one hand, power elites are challenged by the activities of these pluralistic groups; on the other hand, they consider them a convenient tool to push back Islamic integrism. This results frequently in verbal commitment to the values of civil society (political participation, pluralism, democracy) and the simultaneous attempt to coopt and control the various organizations of the socio-cultural opposition. I am not as hopeful as Hegasy in evaluating these groups‘ potential for success. She herself speaks of a "subelite", separate from the power elite, but characterized by a high degree of education, a high level of information, and an ability to articulate its demands. If we add that this subelite articulates frequently in French we might wonder how popular the movement can become. Hegasy, in any case, recognizes the ambivalent relation between civil society organizations and the government, just as she recognizes another ambivalence: a considerable amount of support, financial and otherwise, comes from outside. The National Endowment for Democracy, the U.S. Information Service, Med-Campus, and Met-Urbs support specific organizations or projects.
Hegasy sees socio-cultural opposition manifests not only in a variety of organizations but also in the publications of particular individuals. This might seem to mix categories, but it makes sense in the way she brings them together. In particular, she discusses the publications of al-Jaberi and Fatima Mernissi, who both use the Arab-Islamic heritage to legitimize pluralism and heterogeneity (p. 105). Hegasy analyzes this aspect of their thought in terms of how it promotes an intellectual atmosphere in which non-governmental organisations can flourish and obtain a degree of cultural legitimacy. When choosing examples from NGOs she displays a predilection for women’s organizations and causes, a topic with which she is very familiar. Here, too, she shows new aspects, demonstrating how, in contrast to traditional women’s emancipation movements in various Arab states, these groups are not willing to subordinate their interests to the "national" cause of liberation. In summary, Staat, Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft is a fine and well-balanced contribution to the discussion on the development of civil societies in the Arab world.
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in: IPG 3/99
Aktuelle Studien zum Wertewandel arabischer Gesellschaften sind in der Forschung dünn gesät. Dabei finden unterhalb der Makroebene der starren Regime die weitreichendsten Veränderungen statt. Welche Rolle neue Gruppen der Zivilgesellschaft bei diesen friedlichen Transformationsprozessen spielen und welche Rolle die Entwicklungszusammenarbeit hier spielen kann, beleuchtet Sonja Hegasy in ihrem Buch »Staat, Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft in Marokko«. Auch weist sie auf die Schwierigkeiten hin, die entstehen können, wenn Menschenrechts-, Frauen- oder Stadtteilhilfevereine einzig auf ausländische Unterstützung angewiesen sind. Erstens entstehe eine extreme Abhängigkeit von externen Faktoren, zweitens werde das »plötzliche Interesse des Westens an den neuen Demokratierträgern mit Skepsis betrachtet«.
Hegasys Buch zeigt, daß die Untersuchung der klassischen Hauptakteure – Regierung, Parteien, etc. – für die Untersuchung politischer und gesellschaftlicher Veränderungen in der arabischen Welt nicht immer der Königsweg ist. Erst wenn man den Blick auf das Individuum richtet, stellt man fest, wie wenig statisch die meisten Gesellschaften des Magreb und des Nahen Ostens heute sind. Eine hybride Modernisierung hat fast überall stattgefunden. Sonja Hegasy zeigt in einer qualitativen Studie, daß sich der Handlungsspielraum für die Medien, die Vereine und andere Nichtregierungsorganisationen in den vergangenen Jahren langsam aber stetig vergrößert hat. Bei Forschungsaufenthalten in Marokko entdeckte die Autorin unterschiedliche Facetten einer sozialen Bewegung, die sich an zivilgesellschaftlichen Werten orientiert.
Hegasy versteht unter zivilgesellschaftlichen Werten: Mündigkeit und Autonomie der gesellschaftlichen Akteure, Ideenpluralismus, Tolerenz und Gewaltlosigkeit. Als Beleg für den Wertewandel in Marokko liefert sie drei Indikatoren: Erstens beschäftigt sie sich mit Leitfiguren, wie dem Philosophen Mohammed Abid al-Jabiri, und dessen Kritik an der geistigen Stagnation in der arabischen Welt. Zweitens untersucht sie 17 Vereine und informelle Zusammenschlüsse und ihre mehr oder weniger effektiven Aktivitäten. Drittens prüft sie, inwieweit und auf welchen Wegen die Akteure mit ihren Anliegen an die Öffentlichkeit dringen. Dabei zeichnet sie neue Strukturen der Informations- und Wissensvermittlung nach, die einer an zivilgesellschaftlichen Werten orientierten Sozialisation dienen sollen. Kritische Medien werden vorgestellt. Als Ansatzpunkt für die Entwicklungszusammenarbeit läßt sich ihre Feststellung verstehen, daß die marokkanischen Islamisten im In- und Ausland bei der Nutzung des Internets als neuem Kommunikationsmittel offenbar die Nase vorn haben, während Menschenrechtsgruppen und andere Graswurzelorganisationen hier noch größeren Nachholbedarf haben. Noch wichtiger dafür, daß sich die demokratischen Kräfte der Zivilgesellschaft langfristig gegenüber den Islamisten profilieren können und als einheimische Kräfte akzeptiert werden, ist für die Autorin aber auch die Besetzung der Aktionsfelder der Integristen in den Armenvierteln. Eine Aufgabe, die diese Vereine aus eigener finanzieller Kraft wohl kaum bewältigen können.
Anhand von drei Fallbeispielen untersucht Hegasy, wie die marokkanischen Vereine in das tagespolitische Geschehen und den öffentlichen Diskurs eingreifen, wie sie versuchen, ihre Anhänger für bestimmte Themen zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Die Autorin hat drei Beispiele gewählt, die in Marokko quer durch alle Schichten diskutiert wurden: Die Reform des frauendiskriminierenden Familienstandsrechts, die Teilnahme marokkanischer Soldaten im Zweiten Golfkrieg und der Prozeß gegen einen Polizeioffizier, der im Amt mehrere hundert Frauen vergewaltigt hatte.
Sonja Hegasy vergißt in ihrer Arbeit allerdings nie, die soziale Bewegung Marokkos im gesamt-politischen Kontext zu sehen. Denn ohne die Duldung durch den marokkanischen König, der den Nichtregierungsorganisationen eine bestimmte gesellschaftliche Rolle zugedacht hat, wären viele Initiativen bereits im Keim erstickt worden. Im abschließenden Kapitel zeigt die Autorin, wie der König in die Debatte um die Zivilgesellschaft 1993 erstmals selbst eingegriffen hat. Die Monarchie, so lautet Hegasys These, unterstützt diesen Prozeß, um so gesellschaftliche Antagonismen abzubauen. Die Vereine haben aus Sicht des Herrschers also Ventilfunktion. Sie sind ein Mittel, um den politischen Islam zurückzudrängen und das Image des marokkanischen Staates gegenüber der Europäischen Union zu polieren. »Staat, Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft in Marokko« bietet eine genaue Milieustudie der Oppositionskultur. Leider besteht dabei die Gefahr, daß der Leser den quantitativen Faktor – die Tatsache, daß die Partizipation der Gesamtbevölkerung an den neuen zivilgesellschaftlichen Organisationsstrukturen absolut und prozentual gesehen immer noch extrem gering ist – aus dem Blick verliert. Trotzdem macht es Spaß, die Arbeit zu lesen. Sehr gut ist das Zusammenspiel zwischen klassischen Bürgerrechtsvereinen, Demonstranten, kleinen Stadtteilinitiativen, kritischen Journalisten und der Kunstszene beschrieben. Der Leser gewinnt Einblick in eine Schicht, die Marokko am Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts ihren Stempel aufgedrückt hat.
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Die vorliegende Dissertation von Sonja Hegasy ist grundsätzlich als ein sehr erfreulicher und guter Beitrag zum Verständnis von Politik und Gesellschaft im heutigen Marokko zu bewerten. Sie beschäftigt sich mit oppositionellen Bewegungen, die einmal nichts mit islamischen Fundamentalisten zu tun haben. Somit ragt die Arbeit aus der allzu einseitigen Fokussierung westlicher Wissenschaftler auf den politischen Islam heraus. Die Autorin geht von der Hypothese aus, daß sich die politische Kultur in Marokko in Richtung einer Zivilgesellschaft bewegt. Ihr Begriff von Zivilgesellschaft knüpft an die Diskussion über politische Veränderungen in Osteuropa an, wonach als entscheidende Faktoren für einen Transformationsprozess in autoritären Staaten gesellschaftliche Widerstandmuster, zivile Protestbewegungen und Dissidententum gelten. Nach Hegasy kann man in Marokko noch nicht von einer Zivilgesellschaft sprechen, jedoch werden die Grundsteine dafür gelegt. Die Autorin führt deshalb den Begriff der "sozio-kulturellen Opposition" für eine Bewegung mit emanzipatorisch-demokratischen Charakter ein (z.B. Frauenrechts- oder Menschenrechtsbewegung). Die Problem- und Fragestellung der Dissertation wird im Kapitel "Einleitung" (Teil 1) auf 35 Seiten unter Bezugnahme auf relevante theoretische Kontexte (Zivilgesellschaft, Opposition und soziale Bewegung) und des Forschungsstandes skizziert, wobei eine abschließende konkrete Formulierung der Fragestellung und Zielsetzung für den Leser sicherlich hilfreich wäre.
Die Autorin richtet ihre Frage nach einer gesellschaftlichen Dynamik, die in den letzten zehn Jahren im sozio-kulturellen Bereich in Marokko stattgefunden hat, zwischen einer sich emanzipierenden Gesellschaft und einer religiös legitimierten, autoritären Monarchie. Als Wegbereiter dieser Entwicklungen sieht Hegasy einzelne Intellektuelle und eine Vielzahl von unterschiedlichen Gruppierungen bzw. Vereinen. Es sollen Ursachen, Hintergründe und Handlungsräume der Entwicklung einer neuen politischen Kultur gesucht werden. Die Autorin sieht den Mittelpunkt ihrer Analyse in einem Teilbereich des Demokratisierungsprozesses in Marokko, dessen Träger die von ihr sogenannte sozio-kulturelle Opposition bilden.
Nach einer sehr guten Darstellung des internationalen und nationalen Kontextes (Teil 2 und 3 der Arbeit) von Demokratisierungsprozessen in Marokko erfolgt eine empirisch fundierte, sehr interessante Analyse einer von Hegasy im Widerspruch zur Einleitung, dennoch so genannten Zivilgesellschaft in Marokko. In diesem Rahmen werden inhaltlichen Aussagen und Aktivitäten der beiden Intellektuellen Mohamed Abed el Jabiri und Fatima Mernissi sowie die Vereinsbewegung ("mouvement associatif", 17 Vereine) geschildert. Im vierten Teil der Arbeit werden "Mobilisierungswellen" (Reform der Familienstandsgesetzgebung, intellektuelle Opposition zur Zeit des zweiten Golfkrieges und ein Vergewaltigungsskandal bei der Polizei in Casablanca) für die sozio-kulturelle Opposition vorgestellt und analysiert. Die Darstellung von staatlicher Repression, Nachahmung und Mißachtung (Teil 5) schließt den empirischen Teil der Arbeit ab.
Sonja Hegasy kommt unter anderem zu der Schlußfolgerung, daß " (...) die Auffassung, Meinungspluralismus und Zivilgesellschaft seien nur unter den Bedingungen einer freien Demokratie und eines freien Gemeinwesens möglich, hinfällig ist." Der politische Einfluß der sozio-kulturellen Opposition ist zwar gering, aber ihr hoher sozialer Einfluß läßt nach Hegasy die Bezeichnung Zivilgesellschaft zu, die in Zukunft ein Faktor in der innenpolitischen Machtverteilung sein wird. Leider wird auch in den Schlußfolgerungen nicht eindeutig klar, ob die Zivilgesellschaft in Marokko erst aufgebaut wird, oder ob sie schon existiert. Diese begriffliche Ungenauigkeit schmälert ein wenig die Qualität der Dissertation, zudem die Übertragbarkeit des "westlichen Begriffes Zivilgesellschaft" auf außereuropäische Kulturen, in diesem Fall der islamisch-arabisch-berberischen Kultur Marokkos, nicht problematisiert bzw. diskutiert wird, obwohl die Autorin darauf hinweist, daß die sozio-kulturelle Opposition sich selbst nicht als "Zivilgesellschaftsbewegung" bezeichnet. Daß diese Bezeichnung doch zutrifft, soll die Studie gezeigt haben. Darüber hinaus wäre es aus ethnologisch-soziologischer Perspektive sicherlich wünschenswert gewesen, die Bedeutung und Entwicklung der sozio-kulturellen Opposition auch vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Strukturen zu betrachten, in denen die Familie bzw. Großfamilie und ethnische Identitäten eine dominante Rolle spielen. Diese Anmerkung soll die Leistung der Autorin nicht in Frage stellen, sondern sie ist als konstruktive Kritik für einen wissenschaftlichen Diskurs zu verstehen. So möchte ich abschließend die Lektüre des Buches sehr empfehlen. Ich habe dabei einiges gelernt.
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