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                , Zentrum Moderner Orient, Zentrum Moderner Orient
 Projektergebnisse 
                der Feldforschung von PD Dr. Dietrich Reetz  Projektergebnisse 
                der Feldforschung von Thomas Gugler  PD Dr. Dietrich Reetz und der Doktorand Thomas K. Gugler betrachten 
                die Aktivitäten der aus Südasien stammenden islamischen 
                Missionsbewegungen Tablighi Jama´at und Da´wat-e 
                Islami in ausgewählten europäischen Ländern. 
                Dabei beobachten sie neben den Strukturen und Diskursen der Bewegungen 
                deren Strategien von Anpassung und Abgrenzung. Für die sozialen 
                und kulturellen Bestimmungen Europas und des Europäischen 
                gewinnen diese Bewegungen zunehmend an Bedeutung. Diese Missionsbewegungen 
                hinterfragen die Stellung säkularisierter Muslime im europäischen 
                Kontext . Sie streben eine stärkere Orientierung auf den 
                heimischen religiösen und kulturellen Kontext an. Gleichzeitig 
                kommen sie selbst nicht umhin, sich den örtlichen Gegebenheiten 
                anzupassen und auf die europäischen Verhältnisse einzugehen. 
                Dabei geht es um die Aushandlung eines Modells, bei dem Muslime 
                ihr Leben in Europa mit einer dezidiert islamischen Lebensweise 
                in Einklang bringen wollen.Beide Bewegungen bemühen sich darum, Muslime in ihrem Glauben 
                zu stärken und zu einer regelmäßigen Religionsausübung 
                zurückzuführen, d. h. sie bekehren in der Regel keine 
                Nicht-Muslime. Beide Gruppen verfügen in fast allen westeuropäischen 
                Ländern über eigene Netzwerke. Sie haben für Europa 
                eigene Zentren (marakaz) designiert, an denen ständige 
                Vertreter ihre Aktivitäten koordinieren. Darüber hinaus 
                agieren sie hauptsächlich über Laiengruppen von Wanderpredigern. 
                Sie sind äußerlich in der Regel an der heimischen Kleidung 
                südasiatischer Muslime zu erkennen.
 Hier interessiert besonders, ob und in welcher Weise die beiden 
                Bewegungen ihre Missionstätigkeit dem europäischen Kontext 
                anpassen und welche Auswirkungen ihr Agieren hier hat. Durch Feld- 
                und Literaturstudien werden zugleich die Rückkopplung der 
                Bewegungen nach Pakistan und Indien sowie ihre zunehmende globale 
                Vernetzung untersucht. Auch sollen die translokalen Verbindungen 
                während der Missionsreisen zwischen Europa und Südasien 
                erhellt werden. Dabei gilt es zu verstehen, ob besonders in Europa 
                die Missionstätigkeit zu einer weiteren Abgrenzung der Muslime 
                von ihren Aufnahmegesellschaften führt, oder ob deren Orientierung 
                auf die Festigung religiöser Werte und muslimischer Gemeinschaftsvorstellungen 
                auch zur Eingliederung beitragen kann.
 Beide Bewegungen sind Vorreiter eines stärker werdenden Trends, 
                die Gemeinschaft der Muslime (umma) unabhängig vom 
                Territorium grenzübergreifend neu zu formieren. Interessant 
                ist auch, dass beide Bewegungen sich mit der „Verwestlichung“ 
                von Muslimen nicht in den Kernländern des Islam (Dar-al-Islam), 
                sondern mitten in Europa auseinandersetzen. Bevorzugte Zielgruppe 
                der Missionsaktivitäten beider Gruppen in Deutschland sind 
                jugendliche Muslime, z. B. Studenten.
 Beide Bewegungen inszenieren ihre Religiosität mit zahlreichen 
                Symbolen und Attributen: vor allem durch eine strenge Kleiderordnung 
                (weißes Hemd mit Pluderhose - qamis/shalwar), die 
                auf der südasiatischen Tradition beruht. Der offensichtliche 
                Unterschied zwischen beiden ist der grüne Turban der DI-Anhänger.
 Die Aktivitäten beider Gruppen beinhalten Predigerreisen 
                in Kleingruppen mit festgeschriebener Dauer, große Jahresversammlungen 
                und regelmäßige Treffen (ijtema).
 Die TJ und die DI befinden sich in Rivalität um den Einfluss 
                unter den Muslimen. Sie repräsentieren unterschiedliche Interpretationen 
                des südasiatischen Islam: die TJ – die puristische 
                Deobandi-Strömung, benannt nach dem 1867 gegründeten 
                Religionsseminar im nordindischen Deoband; und die DI – 
                die dem Volksglauben und Sufi-Islam nahe stehende Barelwi-Strömung, 
                benannt nach Bareilly, einem Nachbarort von Deoband, von wo der 
                Begründer dieser Richtung, Ahmad Reza Khan (1856-1921) stammt. 
                Diese Rivalität hat auch – zumindest in Südasien 
                – verschiedentlich zu Spannungen geführt. Die Barelwis 
                haben mehrere Streitschriften gegen die TJ verfasst, auf einer 
                pragmatisch-religionssoziologischen Ebene sind ihr Anliegen und 
                Vorgehen jedoch sehr ähnlich.
 Dietrich ReetzPD Dr. Dietrich Reetz ist Privatdozent für Politikwissenschaft 
                am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin und wissenschaftlicher Mitarbeit 
                am Zentrum Moderner Orient. Dort koordiniert er auch das Verbundprojekt 
                „Muslime in Europa“, für das er als Sprecher 
                fungiert. Er hat Internationale Politik mit Schwerpunkt Südasien 
                studiert (1975) und zur modernen Geschichte Südasiens promoviert 
                (1987). Seine Habilschrift erschien 2006 unter dem Titel „Islam 
                in the Public Sphere: Religious Groups in India 1900-1947“ 
                bei Oxford University Press. 2001 gab er in der Reihe der Studien 
                des ZMO den Band „Sendungsbewußtsein oder Eigennutz: 
                Zu Motivation und Selbstverständnis islamischer Mobilisierung“ 
                heraus. Darüber hinaus hat er zahlreiche Beiträge zur 
                aktuellen islamischen Bewegungen, v.a. im nichtarabischen Raum 
                und zur internationalen Politik veröffentlicht.
 
 Veröffentlichungen (Auswahl):
 Reetz, Dietrich: Islam in the Public Sphere: Religious Groups 
                in India, 1900-1947. Delhi/Oxford: Oxford University Press 2006.
 Reetz, Dietrich: Sufi spirituality fires reformist zeal: The Tablighi 
                Jama´at in today´s India and Pakistan. In: Archives 
                de Sciences Sociales des Religions 135. Paris 2006, S. 33-51.
 Reetz, Dietrich: Keeping Busy on the Path of Allah: The Self-Organization 
                (intizam) of Tablighi Jamaat. In: Bredi, D. (Hg.): Islam in Contemporary 
                South Asia. Rom: Oriente Moderno 2004.
 Reetz, Dietrich: The "Faith Bureaucracy" of the Tablighi 
                Jama´at: An Insight into their System of Self-Organisation 
                (intizam). In: Beckerlegge (Hg.): Religious reform movements in 
                South Asia. Delhi/Oxford: Oxford University Press 2007 (im Druck).
 
 PD Dr. Dietrich Reetz
 Zentrum Moderner Orient
 Kirchweg 33
 14129 Berlin
 Tel.: 030-80307-116
 E-Mail:
 Homepage: http://www.zmo.de/Dietrich/Reetz.html
  Thomas K. 
                GuglerThomas K. Gugler, Jahrgang 1981, hat - nach einem Jahr der Orientierung 
                in der Benediktinerabtei St. Bonifaz / Andechs - Indologie, Religionswissenschaft 
                und Psychologie an der LMU München und der Delhi University 
                studiert. In seiner Abschlussarbeit untersuchte er den Sanskrit-Kanon 
                der Madhva-Sekte in Karnataka (Südindien). 2005 begann er 
                seine Promotion in Fach Islamwissenschaft an der Universität 
                Erfurt zum Thema "Motivationale Aspekte im Jihadismus: Anmerkungen 
                zu Maududis al-jihad fi al-islam." Für das Projekt „Dialog 
                mit dem Islam in europäischen und südasiatischen Perspektiven" 
                war er ein Semester an der Jamia Millia Islamia in Neu-Delhi. 
                Thomas K. Gugler interessiert sich für vishnuitische und 
                sunnitische Sekten im modernen Indien/Pakistan.
 
 Veröffentlichungen:
 Gugler, Thomas K.: Das Trittiya Prakrti im Alten Indien. In: Gigi 
                Nr. 30. März/April 2004.
 
 Thomas K. Gugler, M. A.
 Zentrum Moderner Orient
 Kirchweg 33
 14129 Berlin
 Tel.: 030-80307-217, 030-21025715
 E-Mail:
 Homepage: http://www.zmo.de/Mitarbeiter/Gugler/index.htm
 
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