, Zentrum Moderner Orient
Melanie Kamp untersucht die Vermittlung islamischen religiösen
Wissens in Deutschland. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht
die Frage, welche islamischen Lehrtraditionen – inhaltlicher
wie methodischer Art – hier fortgeführt werden und
inwieweit eine spezifisch europäische Synthese religiöser
Ideen entsteht. Dabei wird implizit davon ausgegangen, dass religiöse
Inhalte und ihre Tradierung auch von den gesellschaftlichen Bedingungen
geprägt werden, in denen eine Religion praktiziert wird.
Gleichzeitig berücksichtigt das Projekt die internationale/transnationale
Dimension der Weltreligion Islam. Deutsche Muslime sind Teil einer
religiösen Diskurstradition, die sich nicht geographisch
auf den Raum Europa beschränken lässt. Das Projekt fügt
sich mit seiner Themenstellung in die Debatten um die Einrichtung
von islamischen Theologielehrstühlen sowie die erwünschte
Ausbildung von Religionslehrern und Imamen (Vorbeter und Lehrer
in Moscheen) in Deutschland ein, die seit einigen Jahren geführt
werden. In diesen Debatten werden die transnationalen Verbindungen
muslimischer Organisationen und die Einflüsse im Ausland
ausgebildeter Imame und Lehrer auf hiesige Muslime fast ausschließlich
aus der Perspektive der sozialen Integration der Muslime in die
deutsche nichtmuslimische Gesellschaft betrachtet und als integrationshemmend
wahrgenommen. Eine Imam- oder Religionsgelehrtenausbildung in
Deutschland wird als wesentliche Voraussetzung für die Entstehung
eines deutschen oder europäischen Islam bewertet.
Seit ca. Mitte der 90er Jahre wurden eine Reihe islamischer Bildungsinstitute
gegründet, die eine dezidiert deutschsprachige und auf den
deutschen Kontext ausgerichtete Ausbildung anbieten, zu denen
beispielsweise das Islamologische Institut gehört, das in
vier deutschen Städten Unterricht anbietet. Ziel des Projektes
ist zunächst, eine Bestandsaufnahme solcher islamischer Ausbildungseinrichtungen
in Deutschland vorzunehmen. Der Begriff „Schulen“
wird bewusst gemieden, da der Schwerpunkt nicht auf allgemeinbildende
islamische Privatschulen (wie z. B. die islamische Grundschule
in Berlin) liegt, sondern auf religiöser (Erwachsenen-) Bildung
und die Fortbildung von Religionslehrern und Imamen. In einem
zweiten Schritt werden zwei bis drei Einrichtungen näher
betrachtet. Dazu soll einerseits das verwendete Unterrichtsmaterial
berücksichtigt werden, andererseits mittels qualitativer
Interviews mit Lehrern und Studierenden ein Einblick in ihre Bildungserfahrungen,
Motivationen, (Bildungs-) Ziele und ihre Vorstellungen von einem
Islam in Europa oder europäischen Islam gewonnen werden.
Schließlich soll punktuell die Einbindung in die islamische
Diskurstradition nachvollzogen werden, in dem für sie wichtige
Ausbildungseinrichtungen in der islamisch geprägtenWelt,
aber auch anderen europäischen Staaten aufgesucht werden.
Die islamischen Ausbildungseinrichtungen, die in Eigeninitiative
von Privatpersonen oder von muslimischen Organisationen initiiert
wurden, füllen zurzeit eine Lücke im Bildungsangebot
aus. Doch auch zukünftig, so ist zu vermuten, werden sie
als Konkurrenz zu den im Aufbauprozess befindlichen Theologielehrstühlen
in Deutschland fortbestehen – so wie in islamisch geprägten
Staaten auch private Schulen, Institute oder Privatgelehrte mit
staatlich anerkannten universitären Einrichtungen koexistieren.
Das Projekt will zum Verständnis dieses privaten Raumes islamischer
Wissensvermittlung beitragen. Gleichzeitig wird es die Bedeutung
der Einbindung in transnationale islamische Diskurse für
die Vermittlung islamischen Wissens in Europa herausarbeiten.
Dabei wird die Entstehung eines eigenständigen privaten islamischen
Bildungssektors nicht als Indikator für eine sich abschottende
„Parallelgesellschaft“ gesehen, sondern vielmehr als
ein Zeichen für die Etablierung des Islam in Deutschland,
wo nach mehreren Jahrzehnten muslimischer Einwanderung sich zunehmend
eine religiöse Infrastruktur herausbildet.
Melanie Kamp
Melanie Kamp hat Islamwissenschaft, Publizistik/Kommunikations-
und Politikwissenschaft in Münster, Berlin und Damaskus studiert
und promoviert an der Freien Universität Berlin zum Thema
"Etablierung religiöser Autorität unter Muslimen
in der Diaspora" mit dem Schwerpunkt Imame in Deutschland.
Veröffentlichungen:
Kamp, Melanie: Islam in Deutschland. In: Grübel, Nils /Rademacher,
Stefan (Hg.): Religion in Berlin. Ein Handbuch. Ein Überblick
über das religiöse Leben in Berlin. Berlin: Weißensee
Verlag 2003.
Kamp, Melanie: Mehr als Vorbeter: Zur Herkunft und Rolle von Imamen
in Moscheevereinen. In: Färber, Alexa/Spielhaus, Riem (Hg.):
Islamisches Gemeindeleben in Berlin. Berlin: (im Erscheinen, voraussichtl.
November 2006).
Kamp, Melanie: Prayer leader, counselor, teacher, social worker,
and public relations officer – on the roles and functions
of imams in Germany. In: Thielmann, Jörn/al-Hamarneh, Ala
(Hg.): Islam in Germany (Arbeitstitel). Leiden [u.a.]: Brill (im
Druck).
Melanie Kamp
Zentrum Moderner Orient
Kirchweg 33
14129 Berlin
Tel. 030-80307-243
.
|