, Viadrina Universität Frankfurt/Oder
Homepage: http://www.zmo.de/muslime_in_europa/mitarbeiter/peter/
Das Projekt befasst sich mit der Union des Organisations
Islamiques de France (UOIF) in Frankreich. Die UOIF gilt
als eine der bedeutendsten und einflussreichsten islamischen Föderationen
in Frankreich und wird üblicherweise als Ableger der Muslimbruderschaft
angesehen. Seit 2003 ist die Union Mitglied des französischen
Islamrates (Conseil Français du Culte Musulman)
und somit offizieller, vom französischen Staat anerkannter
Teilrepräsentant der französischen Muslime.
Diese Entwicklung hat einerseits aufgrund der Verbindungen der
UOIF zur Muslimbruderschaft zu einer andauernden, heftigen Kontroverse
in der französischen Öffentlichkeit über den Platz
der "islamistischen" UOIF und allgemeiner den Platz
französisch-islamischer Verbände im laizistischen Frankreich
geführt. Andererseits hat diese Entwicklung innerhalb der
Union und in der islamischen Öffentlichkeit in Frankreich
Diskussionen verstärkt über das Islamverständnis
im französischen Kontext, die Einbindung der französischen
Muslime in die Umma und die Modalitäten der Zusammenarbeit
mit dem Staat.
Diese Untersuchung der UOIF ist grundsätzlich konzipiert
als Fallstudie der Entwicklung einer "islamistischen"
Bewegung in Europa. In welcher Hinsicht ist es überhaupt
sinnvoll im europäischen Kontext von Islamismus zu sprechen,
so wie der Begriff im Nahen Osten und anderswo benutzt wird? Wie
könnte man aus dieser Perspektive heraus die Attraktivität
"islamistischer" Bewegungen gerade unter hier geborenen
Muslimen erklären? Und wie könnten die beobachtbaren
Wandlungsprozesse innerhalb einer Bewegung wie der UOIF mit dieser
Kategorisierung in Einklang gebracht werden? Dies sind einige
der öffentlichkeitsrelevanten Fragen, die im Projekt aufgegriffen
werden sollen.
In verschiedener Hinsicht ist der Fall der UOIF sicherlich spezifisch
für den französischen Kontext. Der besondere Fall UOIF
soll im Rahmen des Projektes jedoch als Ausgangspunkt für
allgemeine Überlegungen zum Verhältnis von Staat und
Islam in Europa, der Transnationalität des Islam und dem
Wandel islamistischer Bewegungen in Europa dienen .
Eine Reihe vor allem französischsprachiger Publikationen
beschäftigt sich mit der UOIF. Die Mehrzahl dieser Publikationen
beschränkt sich jedoch darauf die UOF im Kontext der Institutionalisierung
des französischen Islam und im Besonderen im Rahmen der französischen
Islampolitik zu untersuchen. Weiterführende Arbeiten zu den
Diskursen der UOIF "unterhalb" der Führungsriege
der Union fehlen weitestgehend oder sind polemischer Natur (siehe
z. B. Fourest 2004). Daneben ist anzumerken, dass die Fokussierung
auf die durch die Öffentlichkeit vorgegebene Problematik
"Islam/Laizität/Integration" nicht nur zu einer
ausgeprägten Vernachlässigung "innermuslimischer"
(nationaler oder transnationaler) Dynamiken in der Analyse der
UOIF geführt hat, sondern bislang auch kaum reflexiv in das
Forschungsdesign miteingebracht wurde.
Mit den Stichworten "innermuslimische" Dynamiken, islamische
Diskurse jenseits der nationalen Islampolitik und Reflexivität
sind drei zentrale Ansätze des Projektes benannt. Anhand
des Bourdieu'schen Feldkonzeptes sollen in diesem Projekt der
Wandel der Diskurse in der UOIF nicht nur in Beziehung zum Staat
bzw. zum säkularen Kontext, sondern auch als Teil einer über
Frankreich hinausreichenden Geschichte von miteinander im Dialog
oder Konflikt verbundenen islamischen Reformprojekten untersucht
werden. Von zentraler Bedeutung wird dabei sein die nationale
und/oder transnationale Positionierung der verschiedenen Akteure
herauszuarbeiten, um somit die räumliche Verortung des Islam
"in Frankreich" besser zu erfassen. Diese Fragestellung
wird anhand einer Analyse der verschiedenen Akteurstypen innerhalb
der Union bei konsequenter Berücksichtigung der inneren Differenzierung
der UOIF beantwortet werden. Die Anwendung des Feldkonzeptes soll
nicht zuletzt auch dazu dienen den Gebrauch grundlegender Kategorien
der Untersuchung (wie z.B. "Muslim", "Franko-Maghrebiner",
"junge Muslime", …) zu reflektieren und das begriffliche
Instrumentarium selbst und seinen Wandel als Teil eines spezifischen
"Integrationsprozesses" der Immigrantengenerationen
in Frankreich zu erfassen.
Die Forschungsergebnisse werden in Form verschiedener Artikel
und einer Monographie zugänglich gemacht werden.
Frank Peter
Dr. Frank Peter studierte Islamwissenschaft, Geschichte und Arabisch
in Hamburg und Aix-en-Provence, wo er 2002 seine Promotion abschloss.
Zwischen 2003-2006 war er Post-Doctoral Fellow am ISIM in Leiden.
Forschungsaufenthalte in Syrien (1998-2000), England (2003, 2004)
und Frankreich. In seinen Publikationen befasste er sich mit der
Geschichte des modernen Syriens und mit dem Islam in Frankreich
und England.
Veröffentlichungen:
Peter, Frank: Islamic Sermons, Religious Authority and the Individualization
of Islam in France. In: Franzmann, Manuel/Gärtner, Christel
und Köck, Nicole (Hg.): Religiosität in der säkularisierten
Welt. Wiesbaden: VS Verlag 2006, S. 303-320.
Peter, Frank: Leading the Community of the Middle Way: A Study
of The Muslim Field in France. In: Muslim World. Jg. 96, Nr. 4
(Oktober 2006), S. 707-736.
Peter, Frank: Rationalités du pouvoir et incorporation
de l'islam: une comparaison anglo-française. In: Sociologie
& Sociétés. Automne 2006.
Dr. Frank Peter
Europa-Universität Viadrina
Große Scharrnstraße 59
15230 Frankfurt (Oder)
Tel. 030/20050766, 0163/6911715
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