, Universität Halle
Forschungsgegenstand des Teilprojektes ist die islamische Reformgemeinde
der Ahmadiya, deren Mitglieder von vielen islamischen Kritikern
als „Abweichler“ angesehen werden. Die Gruppe unterteilt
sich wiederum in eine eher traditionelle Mehrheit und eine reformierte
Untergruppe („Lahoris“).
Trotz ihrer weit zurückreichenden Präsenz sowohl in
Deutschland als auch in anderen Ländern Europas und ihrer
ihren Missionseifer bedingten Profilierung in der Öffentlichkeit
ist die Ahmadiya eine bislang relativ unbekannte Gruppierung.
Das Teilprojekt soll eine bewusste Wahrnehmung der Ahmadiya in
Deutschland fördern und den Umgang mit ihr durch mehr Transparenz
erleichtern.
Die Ahmadiya war bisher kaum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.
Zur Situation der Ahmadiya in Pakistan existieren zwar viele Publikationen
seitens der Gemeinde selbst sowie von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen.
Ab Anfang der 1990er Jahre sind jedoch keine umfassenden wissenschaftlichen
Untersuchungen mehr erschienen. Viele Veröffentlichungen,
v.a. im deutschsprachigen Raum, stammen von christlichen Gruppen,
oder aber von den Ahmadis selbst. Wissenschaftliche Veröffentlichungen
gibt es nur wenige. Auch die in Großbritannien ansässigen
Ahmadis sind bisher weitgehend unerforscht.
Andrea Lathan wird die Tätigkeiten der Ahmadiya in Deutschland
umfassend untersuchen. Im Mittelpunkt steht dabei ihr Verhältnis
zur Mehrheitsgesellschaft und anderen religiösen Gruppierungen.
Dazu wird sie sich zunächst eingehend mit rechtlichen Regelungen
beschäftigen, die religiöse Minderheiten, speziell die
Ahmadiya, betreffen. Vorgesehen sind u.a. Gespräche mit Experten
für Ausländerrecht. Im Anschluss daran wird sie das
Bild der Ahmadiya in der deutschen Gesellschaft und damit verbunden
der deutschen Medienlandschaft, untersuchen. Daran anschließend
wird sie der Frage nachgehen, wie die islamische Reformbewegung
die hiesige Gesellschaft wahrnimmt.
Das Projekt vergleicht den Umgang mit der Ahmadiya in verschiedenen
Ländern. Für den innereuropäischen Vergleich eignet
sich besonders Großbritannien, da dort viele Migranten südasiatischer
Herkunft leben. Zudem hat die Reformgemeinde ihr Zentrum jüngst
von Pakistan nach London verlegt. Für den außereuropäischen
Vergleich wird Andrea Lathan die Situation der Ahmadis in Indien,
der Herkunftsgesellschaft der Bewegung, und Pakistan untersuchen.
Insbesondere in Pakistan ist der Umgang mit der Gemeinde auffällig
durch Repressalien geprägt. Das Projekt wird daher auch der
Frage nachgehen, ob eine Neubewertung des asylrechtlichen Status
der Bewegung in Deutschland notwendig ist. In Indien lässt
sich ein wachsendes politisches Engagement der Gemeinde beobachten.
Wie in Deutschland und Großbritannien ist die Minderheit
der Ahmadis auch in Indien von einer Minderheit der Muslime umgeben,
die ihr ablehnend gegenübersteht. Im Unterschied zu Europa
ist die Mehrheitsbevölkerung jedoch nicht christlich, sondern
hinduistisch geprägt.
Die islamische Reformgemeinde beschreibt ihre Situation in Großbritannien
als eine Fortsetzung ihrer Unterdrückung und Ausgrenzung
seitens anderer muslimischer Gruppierungen. Der Ahmadi-Aktivist
C.M. Naim spricht von einer aus islamischen Ländern „mitgebrachten
zweite Tyrannei“ in Europa. Das Projekt wird der Frage nachgehen,
wie sich diese Wahrnehmung herausgebildet hat. Andrea Lathan wird
hierzu insbesondere die Verbindungen zwischen den Ahmadis und
ihnen ablehnend gegenüberstehenden Gruppierungen untersuchen
und prüfen, ob diese sich im europäischen Kontext verändert
haben.
Ein weiterer zu untersuchender Aspekt ist die Kompatibilität
der ideologischen Glaubensvorstellungen der Ahmadiya mit den in
Deutschland und Großbritannien verankerten Grundrechten.
Hier geht es besonders um die Gleichstellung der Frau, das Recht
auf Selbstverwirklichung und die Hinterfragung des Status der
Gemeinde als gemeinnütziger Verein. In diesem Zusammenhang
wird Andrea Lathan das tatsächliche Verhalten der Ahmadiya
gegenüber christlichen und jüdischen Gemeinden einerseits
und deren Wahrnehmung der Ahmadiya andererseits untersuchen.
Das Projekt soll einen Beitrag zur bewussten Wahrnehmung der vielfältigen
Facetten der in Europa lebenden Muslime leisten. Eine Beantwortung
der aufgeworfenen Fragen ist dabei nicht nur für den Umgang
mit der Ahmadiya in der deutschen und britischen Gesellschaft
von Bedeutung. Der Fall der Ahmadiya ist nur ein Beispiel für
den generellen Umgang mit muslimischen Minderheiten in Europa.
Andrea Lathan
Andrea Lathan hat Orientalistik und Arabische Philologie an der
Universität Leipzig und Südasienwissenschaften an der
Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg studiert. Ihre
Forschungsschwerpunkte sind die Islamisierung in Pakistan, die
auch Thema ihrer Magisterarbeit war, die Ahmadiya und die Teilung
Indiens.
Andrea Lathan
MLU- Halle, Institut für Südasienwissenschaften
H. u. Th. Mann Str.26
06099 Halle/Wittenberg
Privat:
Harnackstr. 09
04317 Leipzig
Tel. 0341/6885411, 0173/8230435
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