Religiöse Inspiration und gesellschaftliches Engagement - Das Agha Khan Development Network (AKDN) im postkolonialen Indien
Dr. Soumen Mukherjee
Ziel des Projekts ist es, einen religiös beeinflussten bzw. untermauerten Wohlfahrtsdiskurs zu verstehen, der Entwicklungsinitiativen in Gang setzt und durch konfessionell gebundene Organisationen artikuliert wird. Vorliegend wird dies am Beispiel des Agha Khan Development Network (AKDN) im postkolonialen Indien untersucht.
Die Wahl des AKDN ist hinsichtlich verschiedener Aspekte aufschlussreich. Erstens kann eine Institution, die in 25 verschiedenen Ländern tätig ist nicht nach einer einzigen Art und Weise funktionieren. Die Arbeitsweisen hängen von den jeweiligen soziopolitischen und historischen Kontexten ab, innerhalb derer erweiterte Konzepte von Welt, Ordnung und spezielle konfessionell gebundenen Glaubenspraktiken sowie ihre Anwendung, Anpassung und/oder Übersetzung abhängig von der lokalen Praxis verhandelt werden, während eine bestimmte Auslegung des Islam, in der der Agha Khan als Imam verankert ist, von zentraler Bedeutung bleibt. Die Forschung konzentriert sich auf den Schnittpunkt dieser beiden unterschiedlichen Kräfte und beleuchtet Eigenschaften und Funktion eines „Glaubens“, der der sozioreligiösen Weltsicht des AKDN entspricht.
Zweitens ist eine Untersuchung der Ursprünge, Arbeitsweisen und sich verändernden Interessen konfessionell gebundener Organisationen in pluralen Gesellschaften, besonders im Hinblick auf die wechselhaften Entwicklungsdiskurse in Südasien, über eine longue durée längst überfällig. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dieser Forschungslücke. Eine historische Analyse des AKDN zeigt, dass sich ein komplexer Bogen zu den reformistischen Wohlfahrtsinitiativen von Sultan Muhammad Shah Aga Khan III spannen lässt, dem Imam der Nizari Khojas im spätkolonialen Südasien und Ostafrika. Dennoch lassen sich bezüglich Politik und Funktionsweise feine Unterschiede feststellen zwischen den von Agha Khan III vor dem AKDN gegründeten Institutionen und dem vom jetzigen Imam der Khojas, Prinz Karim Aga Khan IV gegründeten AKDN.
Schließlich zeigt das AKDN als Dachverband unterschiedlich ausgerichteter Institutionen, deren Aufgabenbereiche von Erziehung und Bildung über Mikrofinanzen und wirtschaftliche Entwicklung, Gesundheit u.a. reichen, eine außergewöhnliche Mischung von Themen, die die heutigen Entwicklungsdiskurse beherrschen. Die Untersuchung einer FBO, die sich mit einer solchen Bandbreite von Entwicklungsbelangen beschäftigt, hilft nicht nur die verwobene Struktur sozioreligiöser Institutionen und sozialer Fürsorgebestrebungen besser zu verstehen, sondern dies unter Beachtung eines zugrundeliegenden Entwicklungskonzeptes zu tun, das nicht auf wirtschaftliche Aspekte reduziert ist, wie es in bestimmten akademischen Bereichen oft der Fall ist.
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