Sehr
geehrte Trauergäste,
Gerhard Höpp kam 1975, vor nahezu dreißig Jahren
also, an die damalige Akademie der Wissenschaften. Dort hatte
es bis 1969 ein hoch angesehenes Institut für Orientforschung
gegeben. Noch im Oktober 1967 hatte es sein zwanzigjähriges
Bestehen gefeiert, und Gerhard war dabei: Auf einer aus diesem
Anlass veran-stalteten Tagung sprach er über das Verhältnis
von Islam und wissenschaftlicher Weltanschauung. Schon zwei Jahre
später liquidierte eine Akademie-Reform – der Begriff
„Reform“ gewann schon damals einen drohenden Unterton
– das Institut. Historiker aus ihm fanden am Zentralinstitut
für Geschichte eine neue Bleibe, zunächst in den beiden
Arbeitsgruppen Südasien und Naher Osten, dann in einer Abteilung
Geschichte der Entwicklungsländer.
Die Ankunft von Gerhard Höpp war für uns ein großer
Gewinn. Er galt als vielversprechendes wissenschaftliches Talent,
zu Recht, wie sich später zeigen sollte. Er wirkte daran
mit, dass die Beschäftigung mit Entwicklungsländern,
die es nach ihrer Reform an der Akademie nicht mehr geben sollte,
dort eine neue Heimstätte fand, mit Arbeitsergebnissen, die
innerhalb wie außerhalb der DDR zunehmend respektiert wurden.
Seinen strukturellen Niederschlag fand dieser Wandel in der Gründung
eines Wissenschaftsbereichs Geschichte der Entwicklungs-länder,
zunächst noch im Zentralinstitut der Geschichte, dann in
dem 1986 ins Leben gerufenem Institut für Allgemeine Geschichte.
In dem neuen Institut übernahm Gerhard die Bereichsleitung,
die er bis zum Ende der Akademie innehatte.
In seinen 15 Jahren an der Akademie war Gerhard wissenschaftlich
überaus produktiv. Von den Ergebnissen seines Schaffens ist
seine umfangreiche Habilitationsschrift hervorzuheben "Vom
Nationalismus zum Sozialismus. Zur Geschichte und Ideologie der
'Bewegung der Arabischen Nationalisten' (BAN) und ihrer Nachfolgeorganisationen,
1948 – 1975", deren Veröffentlichung die Wende
leider verhinderte.
An zahlreichen Gemeinschaftsprojekten war er beteiligt, darunter
an einem zu Beginn der achtziger Jahre gemeinsam mit sowjetischen
Kollegen herausgegebenen und in Moskau und Berlin erschienen Sammelband
„Geistige Profile Asiens und Afrikas“, zu dem er selbst
einen Beitrag beisteuerte, „Das Vermächtnis von Klassen
und Klassenkampf als Gegenstand und Moment ideologischer Auseinander-setzungen
in arabischen Ländern“.
Gerhard hielt nichts von Moden in der Wissenschaft, sich abzeichnend
im Wechsel der Paradigmen. Sich und anderen gegenüber ehrlich,
war ihm auch in der Wissenschaft an Wahrhaftigkeit gelegen. Er
wollte einfach wissen, wie Geschichte verlaufen war. Dabei interessierten
ihn vor allem die Menschen, die diese gestalteten, ihre Situation,
ihr Denken und Handeln, ihre Resultate. Details waren ihm da wichtig.
Er wandte viel Zeit und Mühe auf – auch aufwendige
Anfahrten zu Archiven und Bibliotheken schreckten ihn nicht ab
– um ihm wichtige Einzelheiten herauszufinden. Ideenbewegungen,
die er untersuchte – Stichworte: Islam, arabischer Nationalismus,
Sozialismus –, suchte er aus konkreten historischen Verhältnissen
herzuleiten und zu verstehen. Es gibt international nur wenige
Arbeiten, die so gründlich, behutsam und differenziert politisch-ideologische
Strömungen im arabischen Raum nachgehen, wie seine Habilitationsschrift.
Von seiner Gründlichkeit zeugte eine Fülle an Anmerkungen
in seinen Schriften, die für ihn sprichwörtlich war,
in Redaktionen indes nicht immer nur Beifall fand.
Die Zusammenarbeit mit Gerhard war für mich, das wird in
der Rückschau deutlicher als zuvor, ein ausgesprochener Glücksumstand.
Nicht, dass wir uns unablässig mit Komplimenten überhäuft
hätten. Es gab durchaus kritische Situationen. Gerhard stellt
in seiner wissenschaftlichen Arbeit höchste Anforderungen
an sich selbst. Das ließ ihn mitunter über Terminverschiebungen
verhandeln. Ihn drängte es nicht – daran hinderte ihn
schon seine Bescheidenheit – nach Leitungs-verantwortung;
als er sie dennoch ausübte, war sie in hohem Maße durch
sein eigenes Vorbild und die Hilfe, die er Kollegen, vornehmlich
jungen, angedeihen ließ, geprägt; Anforderungen, denen
er sich selbst unterwarf, mochte er indes nicht ohne weiteres
an andere zu stellen. Aber gerade diese Kompromisslosigkeit sich
selbst und das Verständnis anderen gegenüber befruchteten
die kameradschaftliche Zusammenarbeit und beförderten allgemein
eine sachliche Arbeitsatmosphäre.
Mit und in der Wende zu Beginn der neunziger Jahre des vergangenen
Jahrhunderts geriet die Akademie in eine tiefe Krise, die sich
zwei Jahre qualvoll hinzog und zu ihrer Liquidierung führte.
Von den Mitarbeitern des Bereichs Geschichte der Entwicklungsländer
fand keiner in seinem Beruf eine neue feste Anstellung, wenngleich
der Bereich in der Evaluierung nicht schlecht abgeschnitten hatte.
Gerhard Höpp, jetzt mit befristeten Projekte befasst, blieb
seiner sozialistisch-humanistischen Einstellung treu. In seinen
Arbeiten wandte er sich den Geschicken von Menschen zu, die, mit
Rassismus, Faschismus und Krieg konfrontiert, zu den Verlierern
der Globalisierung gehörten. Außerhalb seiner dienstlichen
Verpflichtungen kümmerte er sich darum, dass die ehemaligen
Bereichsmitarbeiter Kontakte zueinander aufrechterhielten.
Allen, die ihn näher kannten, hat Gerhard eine Bereicherung
ihres Lebens gebracht. In unsere Trauer mischt sich so Dankbarkeit.
Martin Robbe
Nachruf Deutsches Orient-Institut
Nachruf Junge Welt
Nachruf Tagesspiegel
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