Auf Swahili beschreibt der Begriff baraza u.a. regelmäßig stattfindende, informelle, nachbarschaftliche und offene Gesprächsrunden. Zudem werden damit auch die Steinbänke bezeichnet, welche sich in ostafrikanischen Küstenstädten oft an den Außenwänden der Häuser befinden und an denen sich die Treffen ereignen. Diese in der Öffentlichkeit stattfindenden Zusammenkünfte bieten Raum für zwanglose Gespräche, Diskussionen, Reflektionen, Interpretationen und Hinterfragung täglicher Geschehnisse, politischer Entwicklungen und vieler weiterer Themen. In diesem Sinne stellt die baraza einen Ort des Wissensaustausches und Erkenntnisgewinns im Rahmen einer vertrauten sozialen Atmosphäre dar.
Am ZMO ist die baraza eine swahilisprachige, interdisziplinäre Veranstaltungsreihe, welche als offene Plattform für einen forschungspraktischen Austausch über Swahili-bezogene Themen gedacht ist. Die Reihe umfasst zum einen Gastvorträge zur gegenwärtigen Forschung mit anschließenden Diskussionsrunden aus verschiedenen Fachrichtungen, wie etwa den Sprach-, Literatur-, Politik- und Geschichtswissenschaften, der Philosophie und Sozialanthropologie. Zum anderen nehmen Beiträge in Form von Lesungen und Gesprächen mit ostafrikanischen SchriftstellerInnen, DichterInnen und DenkerInnen einen wichtigen Platz in der baraza ein. Ebenso bietet die Veranstaltungsreihe Raum für Präsentationen und Diskussionen literarischer Übersetzungsprojekte sowie wissenschaftlicher Arbeiten.
Die erste baraza im ZMO fand im Juli 2008 mit zwei Gästen aus Kenia statt: dem Dichter Ustadh Ahmad Nassir, welcher aus seiner Dichtung vortrug und dem ehemaligen Politiker und religiösen Gelehrten Sheikh Abdilahi Nassir mit einem Vortrag zu Kenyan Muslims and the Righting of Historical Injustices: the Case of Mwambao.
Weitere Informationen zu dieser Veranstaltung finden sie unter: http://www.zmo.de/veranstaltungen/2008/DokumentationSwahiliNight.html
Baraza - Veranstaltungen 2011/12
Seit dem Wintersemester 2009/10 findet die baraza als Kooperationsprojekt zwischen der Humboldt-Universität zu Berlin (Lutz Diegner) und dem ZMO (Kai Kresse) statt, jeweils am ersten Donnerstag im Monat am ZMO.
Donnerstag, 02. Februar 2012, 16 Uhr, ZMO
“Sijui unataka kitu gani juu ya maisha yangu” – „Ich weiß nicht, was du über mein Leben wissen willst“
Baraza mit Sauda Ali Barwani (ehemals Universität Hamburg)
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Mwalimu Sauda Ali Barwani, vielen von uns seit langem bekannt als Lektorin für Swahili an der Universität Hamburg, forschte im Rahmen des SFB 520 „Umbrüche in afrikanischen Gesellschaften und ihre Bewältigung“ in einem Teilprojekt zur politischen Unabhängigkeit Sansibars anhand autobiographischer Texte. In der Publikation Unser Leben vor der Revolution und danach - Maisha yetu kabla ya mapinduzi na baadaye wurden 2003 erste Ergebnisse veröffentlicht, welcher nun eine zweite Publikation folgen soll. Aus den über 40 geführten Interviews mit Zeitzeugen stellte uns Bi Sauda ausgewählte Einzelschicksale und bemerkenswerte Erkenntnisse aus ihrer Forschung vor. Sie berichtete von persönlichen Erlebnissen mit den Befragten, von ihren besonderen Lebenskontexten sowie von Herausforderungen des Forschungsprojektes und der Übersetzung. |
Dienstag, 10. Januar 2012, 16 Uhr, HU, IAAW - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Raum 117
Mitandao ya Waislamu baina ya Ziwa la Tanganyika na pwani, miaka 1920-1960 – Muslimische Netzwerke zwischen dem Tanganyikasee und der Küste, in den Jahren 1920-1960
Baraza mit Katharina Zöller (Bayreuth International Graduate School of African Studies)
Katharina Zöller berichtete von ihrem Forschungsvorhaben im Rahmen einer Doktorarbeit über muslimische Netzwerke zwischen dem Indischen Ozean und dem Tanganyikasee am Beispiel der "Wanyema Connection". Ihren Ansatz zu diesen transnationalen Netzwerken erläuterte sie anschaulich anhand von (historischen) Karten, Abbildungen und Archivmaterial wie Korrespondenzen und Tagebüchern. Sie berichtete uns von den Herausforderungen ihres Forschens, von Begegnungen mit Gesprächspartnern und der Materialsichtung in verschiedenen Archiven Tansanias, Englands und Deutschlands. |
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Dienstag, 06. Dezember 2011, 16 Uhr, HU, IAAW - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Raum 117
Kuhusu utenzi 'Wasiya wa Mabanati' na maisha ya jamii pwani – Über das Gedicht 'Wasiya wa Mabanati' und das Leben der Küstenbewohner
Baraza mit Jasmin Mahazi (Berlin Graduate School for the Study of Muslim Cultures and Societies) und Kai Kresse (ZMO, Berlin)
Jasmin Mahazi und Kai Kresse besprachen gemeinsam das von Ustadh Mahmoud Mau 1974 verfasste Utenzi-Gedicht "Wasiya wa Mabanati", das die tragische Geschichte eines Mädchens beschreibt, das dem Werben und Drängen eines jungen Mannes nachgibt und anschließend von ihm fallen gelassen wird. Ende der 1990er Jahre war eine auf Kassette zirkulierende Rezitation des Gedichts sehr populär unter der kenianischen Küstenbevölkerung, die von der tragischen Erzählung ergriffen war und sich fasziniert zeigte von der künstlerischen Darbietung. |
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Jasmin Mahazi und Kai Kresse spielten verschiedene Vertonungen vor und kontextualisierten das Gedicht mit Blick auf soziale Hintergründe in Lamu. Auch biographische Motivationen des Autors, Ustadh Mahmoud Mau, der zugleich bekannter Imam, religiöser Lehrer, Bäcker und Dichter ist, kamen zur Sprachen und zeichneten die Entstehungsgeschichte von "Wasiya wa Mabanati" nach.
Wasafiri Special Feature von Kai Kresse: Enduring relevance: Samples of oral poetry on the Swahili Coast |
Donnerstag, 03. November 2011, 16 Uhr, ZMO
Utafiti katika sinema ya Kijerumani – Forschung über deutsches Kino: Taxonomizing the German-African cinematic sub-genre. How Germany narrates Africa through film
Baraza mit Shikuku Emmanuel Tsikhungu (Freie Universität, Berlin)
Shikuku Emmanuel Tsikhungu gewährte uns in der Präsentation seiner Doktorarbeitsforschung Einblicke in verschiedene Modelle der Filmanalyse und lieferte zudem einen historischen Rückblick auf die deutsche ‚Afrika-Film‘-Produktion. Anhand von Beispielen wie Die weiße Massai, Kein Himmel über Afrika, Dschungelkind und Die Serengeti darf nicht sterben berichtete er uns von der Häufigkeit des inszenierten Othering, von ‚deutschen’ Inhalten an ‚anderen’ Sets, der Inszenierung von Kulturenunterschieden und von der Entwicklung der filmischen Darstellung in der Geschichte. |
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