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        Erlebnis und Diskurs  Zeitgenössische arabische Begegnungen 
          mit dem Nationalsozialismus. Ein Beitrag zur Erinnerungskultur
        Peter Wien 
          Prof. Dr. Gerhard Höpp   
          René Wildangel 
          
        Teilprojekt 1 
        "Disziplin und Aufopferung". Nationalsozialismus im irakischen 
          Diskurs
        Peter Wien 
        Zusammenfassung des Abschlussberichts 
          In dem Teilprojekt untersuchte der Bearbeiter verschiedene Formen der 
          Wahrnehmung von Nationalsozialismus, Faschismus und im weiteren Sinne 
          Totalitarismus im Umfeld einer irakischen Debatte um Nation und Gesellschaft 
          in den dreißiger und frühen vierziger Jahren des Zwanzigsten 
          Jahrhunderts. Die Debatte erfolgte in erster Linie in lokalen Zeitungen 
          und zeitgenössischen Veröffentlichungen. Der Bearbeiter versuchte 
          dabei, bestimmte Arten der Aufnahme von entsprechendem Gedankengut in 
          den Zusammenhang eines Generationenkonfliktes der irakischen Elite einzugliedern. 
          Ein besonderes Augenmerk galt dabei der Repräsentation von bestimmten 
          Führerschafts-, Gehorsams- und Disziplinidealen in der irakischen 
          Jugendbewegung und ihrer Behandlung im nationalistischen Diskurs. Quellen 
          waren neben den genannten Zeitungen vor allem Memoiren von Intellektuellen 
          und Politikern.  
          In den ersten beiden Jahren der Projektlaufzeit sammelte der Bearbeiter 
          Material in Bibliotheken und Archiven in Berlin, London, Tel Aviv und 
          Jerusalem, sowie Damaskus. Erste Ergebnisse der Auswertung wurden anlässlich 
          mehreren Konferenzen auf nationaler und internationaler Ebene vorgestellt 
          und zur Veröffentlichung vorbereitet.  
          Bei dem Teilprojekt handelt es sich gleichzeitig um die Doktorarbeit 
          des Bearbeiters an der Universität Bonn. 2003 stellte der Bearbeiter 
          die Dissertation fertig und reichte sie Anfang August bei der Philosophischen 
          Fakultät der Universität Bonn ein. Das Rigorosum erfolgte 
          im November, die Veröffentlichung wird für den Herbst 2004 
          oder für das Frühjahr 2005 erwartet. Zuvor erscheint der Sammelband 
          "Blind für die Geschichte? Arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus" 
          in der Schriftenreihe des Zentrums Moderner Orient. Die vom Bearbeiter 
          mit herausgegebene Aufsatzsammlung beruht auf den Vorträgen einer 
          internationalen Konferenz, die im Rahmen des Projekts im Herbst 2002 
          am ZMO stattfand. Seit September 2003 ist der Bearbeiter beurlaubt, 
          um eine Vertretungsstelle als Historiker an der Universität al-Akhawayn 
          in Ifrane, Marokko wahrzunehmen. 
         Projektpublikationen   
          
        Teilprojekt 2 
        Täter und Opfer. Arabische Erfahrungen nationalsozialistischer 
          Herrschaft, 1933-1945
        Prof. Gerhard 
          Höpp   
        Zusammenfassung des Abschlussberichts 
         
        Thomas Zitelmann: Vorbemerkung zum Abschlußbericht des 
          Teilprojektes 3/6-2  
        Am 13. Juni 2003 brach Gerhard Höpp, während seiner Recherchen 
          im Archiv des Auswärtigen Amtes, zusammen. Er sollte bis zu seinem 
          Tode, Anfang Dezember 2003, nie mehr die Gelegenheit finden, weiter 
          an seinem Projekt zu arbeiten. 
          Dieser Abschlußbericht beruht dennoch im wesentlichen auf Gerhard 
          Höpps eigenen Texten. Soweit sich dies aus den Dokumenten eines 
          PC's recherchieren lässt, hat Gerhard Höpp bis zum März 
          2003 an der Bearbeitung eines die Forschung zum Teilprojekt zusammenfassenden 
          deutschen Textes (Im Schatten des Mondes) gearbeitet. Dieser Text 
          ist hier als inhaltlicher Ergebnisbericht integriert. Praktisch hatte 
          Gerhard Höpp seine empirischen Forschungen im November 2002 mit 
          Recherchen im Konzentrationslager Buchenwald und im SS-Sonderlager Hintzert 
          (siehe Anhang 1., Archivforschungen) beendet. Geplante Forschungen für 
          das Jahr 2003 konnte er nicht mehr umsetzen. Berichte für die erste 
          und die zweite Forschungsphase des Projektes hat Gerhard Höpp für 
          das Jahrbuch der Geisteswissenschaftlichen Zentren (2001, 2002) selbst 
          verfasst. Diese Berichte sind hier als sachlicher Forschungsbericht 
          zusammengefasst. 
          Ergänzend zu den Veröffentlichungen (siehe Anhang 2) und dem 
          hier abgedruckten Ergebnisbericht hat Gerhard Höpp zwei längere 
          unveröffentlichte Texte hinterlassen. Ein Text (Datenbanken und 
          andere 'Gedächtnisorte' ) entstand als interner Vortrag am Zentrum 
          Moderner Orient und schildert den pragmatischen Forschungsprozeß 
          in den von ihm untersuchten Konzentrationslagern. Hier dominiert die 
          lokale Perspektive der Forschung. An dem anderen Text, 'Blind für 
          die Geschichte?': Arabische Nationalisten und der Nationalsozialismus. 
          Anmerkungen zum Umgang mit einer Geschichtsepoche, arbeitete Gerhard 
          Höpp kontinuierlich. Die Grundfassung diente im September 2000 
          als Beitrag zu einer Konferenz des Instituts für Antisemitismusforschung 
          der TU Berlin. Dieser Text bildet ein Bindeglied zwischen seinen älteren 
          Forschungen zu muslimischen Migranten in Mitteleuropa, dem Projekt Täter 
          und Opfer und seinem geplanten Projekt zu Weltkriegserfahrungen. 
          Verbindendes Glied beider Texte ist die Frage, wie sich kollektive Erinnerung 
          und Vergessen strukturieren. 
          Unter Verwendung von aktuellen Paradigmen der Diskussion um Erinnerung 
          und Vergessen hat Gerhard Höpp im Detail gezeigt, wie Araber und 
          Muslime über eine grundsätzliche kolonialistische Codierung 
          als Opfer ausgeblendet wurden, und das bereits bevor sie eine Opferrolle 
          erhielten. In den Aktenbeständen der Konzentrationslager kommen 
          Araber kaum vor. Häftlinge mit einem Hintergrund in arabischen 
          Ländern waren dort überwiegend als Franzosen registriert. 
          Von 307 Häftlingen, die im Rahmen des Projektes in einer Datenbank 
          registriert wurden, wurden 39% (119) als Frz. Politisch, 21 % (66) 
          als Frz. Schutzhäftlinge, 28% (86) ohne weitere Hintergrundangaben, 
          7% (22) als Araber unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichem 
          Häftlingsstatus, 1 % als Spanier oder Italiener und 4 % mit anderem 
          Status (asozial, Polizeihäftling, Nacht und Nebel [NN], Abschiebehäftling 
          ohne weitere Angaben) kategorisiert. In der in Vorbereitung befindlichen 
          Veröffentlichung Der verdrängte Diskurs zeichnete Gerhard 
          Höpp Einzelschicksale nach, die sich hinter den statistischen Angaben 
          verbergen. 
          Ein bildhaftes Belegstück für die Vorgeschichte dieser kolonialistischen 
          Codierung hat Gerhard Höpp in einem Foto aus dem Jahre 1942 gefunden. 
          Der Bildunterschrift nach fahren Französische Arbeiter, im Austausch 
          für französische Kriegsgefangene, nach Deutschland. Das Bild 
          macht deutlich, daß es sich um Arbeiter nordafrikanischer Herkunft 
          handelt. Das Thema der nordafrikanischen Arbeiter im Kriegsdeutschland 
          und das der französischen Kriegsgefangenen nordafrikanischer Herkunft 
          hat Gerhard Höpp im Verlauf seiner Forschung zunehmend beschäftigt. 
          Diesem Thema dienten auch die Recherchen im Archiv des Auswärtigen 
          Amtes, die er nicht mehr abschließen konnte. 
          Neben der von Türkân Yilmaz betreuten Datenbank, deren Material 
          auch den unterstützenden Archiven und Gedenkstätten zur Verfügung 
          gestellt werden wird, hat Gerhard Höpp umfangreiche Sammlungen 
          zu den einzelnen Konzentrationslagern und zu Arabern im spanischen Bürgerkrieg 
          hinterlassen. Dieser Nachlass wird gegenwärtig von Sophie Wagenhofer 
          bearbeitet und wird weiterer Forschung zur Verfügung stehen. Von 
          Seiten des ZMO ist geplant, aus den veröffentlichten und unveröffentlichten 
          Skripten zum Teilprojekt 3/6-2 eine zusammenhängende Monographie 
          zu erstellen. 
          Der folgende Abschlußbericht setzt sich zusammen aus dem sachlichen 
          Forschungsbericht, dem inhaltlichen Ergebnisbericht und einem Anhang. 
          Im Anhang finden sich eine tabellarische Zusammenfassung der Archivforschungen, 
          eine Liste der Veröffentlichungen, Vorträge und Skripte aus 
          dem Teilprojekt, jeweils eine Kopie der bisherigen Veröffentlichungen 
          sowie die nach Konzentrationslagern geordneten Druckfassungen der Listen 
          arabischer Häftlinge, die in der Datenbank dokumentiert sind.  
        Täter und Opfer. Arabische Erfahrungen nationalsozialistischer 
          Herrschaft 
          (Gerhard Höpp)  
         Sachlicher Forschungsbericht 
          Das Teilprojekt untersuchte die Situationen, Lebensverhältnisse 
          und Erfahrungen von Arabern, die v.a. während des Zweiten Weltkrieges 
          im von Deutschland okkupierten bzw. kontrollierten Europa, darunter 
          im Reich selbst, und in Nordafrika nationalsozialistische Herrschaft 
          erlebten. Dabei handelte es sich um Gruppen, die in besonderen, teilweise 
          sehr unterschiedlichen Beziehungen zum nationalsozialistischen Regime 
          standen, sowohl Täter als auch Opfer waren: Mitarbeiter seines 
          Propagandaapparates, Legionäre der Wehrmacht und der Waffen-SS, 
          Teilnehmer am spanischen Bürgerkrieg, Angehörige der Organisation 
          Todt und des Reichsarbeitsdienstes, Wissenschaftler und Studenten, Schriftsteller 
          und Publizisten, Kriegsgefangene und Zivilinternierte, Gefängnis- 
          und KZ-Insassen sowie Juden aus arabischen Ländern. 
          Die Rekonstruktion und Veröffentlichung ihrer Erlebnisse und Schicksale 
          sollen grundsätzlich dazu beitragen, gemeinsame Geschichte auszuleuchten 
          und dadurch ihre "Parzellierung" infolge von "Erinnerungspolitik" 
          überwinden zu helfen; im besonderen sollen sie in die "Erinnerungsräume" 
          eingebracht werden und dadurch helfen, das homogenisierte Bild arabischer 
          Begegnungen mit dem Nationalsozialismus aufzulösen und zu differenzieren. 
           
          Erste Forschungsphase 
          Im Zuge einer bisher v.a. aus binnenfachlichen, methodologischen 
          und politischen Gründen einseitigen, z.T. mythologisierenden und 
          im Nahostkonflikt instrumentalisierten Geschichtsschreibung war u.a. 
          die arabische Seite in den deutsch-arabischen Beziehungen zwischen 1933 
          und 1945 bis auf wenige prominente Ausnahmen anonymisiert sowie als 
          "Täter" pauschaliert worden. Das verstellte nicht nur 
          den Blick für mögliche Differenzierungen und gar Widersprüche 
          unter den Tätern, sondern machte offenbar auch die Frage danach 
          überflüssig, ob und wie Araber seinerzeit nationalsozialistische 
          Politik und Ideologie anders, etwa als Opfer, erlebten und ggf. reflektierten. 
          Nur in Ausnahmefällen wurden in der Literatur andere als prominente 
          Täter erwähnt, ohne indessen Platz für ihre Motive, Lebensverhältnisse 
          und Schicksale zu lassen. Arabische Opfer wurden - mit Ausnahme von 
          nordafrikanischen Juden - in der Regel gar nicht genannt, auch nicht 
          in der arabischen Historiographie. 
          Die im Rahmen des Teilprojektes angestrebte Rekonstruktion möglichst 
          vielfältiger arabischer Erlebnisse unterm Nationalsozialismus v.a. 
          aus Archivalien und z.T. aus der Erinnerungsliteratur sollte dazu beitragen, 
          die Geschichte der deutsch-arabischen Beziehungen zwischen 1933 und 
          1945 stärker auszuleuchten, ihre "Parzellierung" durch 
          bisherige Geschichtsschreibung überwinden, das entstandene homogenisierte 
          Bild arabischer Begegnungen mit dem Nationalsozialismus auflösen 
          und differenzieren zu helfen und so in die "Erinnerungsräume" 
          einzubringen. 
          Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen arabische Kombattanten in der 
          deutschen Wehrmacht und auf beiden Seiten des spanischen Bürgerkriegs, 
          zivile und militärische Mitarbeiter im nationalsozialistischen 
          Propaganda- und Nachrichtenapparat, Studenten und Akademiker und deren 
          Organisationen sowie arabische Muslime und deren Organisationen im Reich; 
          arabische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Zivilinternierte, Gefängnis- 
          und KZ-Insassen. 
          Methodologisch orientiert sich der Bearbeiter an verschiedenen, sich 
          z.T. überlagernden Diskursen der "Middle-East"-Historiographie, 
          der Nationalsozialismus-Forschung, v.a. zur Erinnerungs-, zur Täter-Opfer- 
          und zur Kollaborationsproblematik, sowie der erinnerungsgeschichtlichen 
          und der biographischen Forschung. 
          Im ersten Jahr stand neben dem Abschluß der gewissermaßen 
          als Brücke dienenden Edition "Mufti-Papiere" aus dem 
          vorigen Teilprojekt die Materialsuche und -sicherung für das neue 
          Projekt im Vordergrund. Der Bearbeiter konzentrierte sich dabei auf 
          das offenkundigste Desiderat der Forschung, auf arabische Opfer nationalsozialistischer 
          Herrschaft, hier zunächst und vor allem auf Häftlinge in deutschen 
          Konzentrationslagern. Diese Opfergruppe erschien ihm als die überschaubarste 
          und mit Hilfe v.a. von Datenbanken am besten nachzuweisen. 
          Es hatte sich nach Antragstellung gezeigt, daß die reichsten Quellen 
          dafür nicht, wie angenommen, in den Archiven, sondern in den KZ-Gedenkstätten 
          zu finden sind, die mittlerweile auch die personenbezogenen Daten der 
          Häftlinge computermäßig erfaßt hatten. Deshalb 
          änderte der Bearbeiter seinen Arbeitsplan und besuchte z.T. mehrmals 
          die Gedenkstätten der ehemaligen KZ Mauthausen, Buchenwald, Bergen-Belsen, 
          Sachsenhausen, Mittelbau-Dora und Flossenbürg, wo er dank bereitwilliger 
          Unterstützung der dortigen Archivare überraschend viel Material 
          über (muslimische, christliche und jüdische) arabische Häftlinge 
          fand und sichern konnte. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Gedenkstätten 
          der KZ Dachau, Neuengamme, Auschwitz, Groß-Rosen, Stutthof und 
          Majdanek, mit denen er korrespondiert, stellten ihm großzügig 
          die ebenfalls erstaunlich umfangreichen Ergebnisse ihrer Recherchen 
          zur Verfügung. 
          Der Bearbeiter konnte in der ersten Forschungsphase etwa 300 Häftlinge 
          aus den meisten arabischen Ländern in allen nationalsozialistischen 
          Konzentrationslagern nachweisen und in einer Datenbank erfassen. Araber 
          gehörten also nicht zu den Ausnahmen, sondern zur Regel nationalsozialistischen 
          Terrors. Erste Ergebnisse über Haftgründe, -wege und -schicksale, 
          über die Stellung arabischer Häftlinge in der Häftlingsgesellschaft 
          und über ex post-Erfahrungen wurden im Zentrum vorgestellt und 
          werden veröffentlicht. 
          Des weiteren recherchierte der Bearbeiter nach arabischen Zwangsarbeitern. 
          Dafür besuchte er zunächst Berliner und Brandenburger Archive 
          sowie die Staatsarchive in Leipzig, Meiningen und Gotha. Die beiden 
          Letzteren verfügen über Datenbanken, die das Auffinden personenbezogener 
          Angaben erleichterten. Die Recherchen förderten nicht nur umfangreiches 
          Material über diese Opfergruppe zutage, die weitaus größer 
          als die der KZ-Häftlinge ist, sondern auch über arabische 
          Internierte sowie Häftlinge in Gefängnissen und Zuchthäusern; 
          letztere erwiesen sich oft als wegen "Arbeitsvertragsbruchs" 
          und anderer Delikte verfolgte Zwangsarbeiter, die nicht selten - wie 
          Namensvergleiche belegen - in Konzentrationslager eingewiesen wurden. 
          Arabische Kriegsgefangene v.a. aus dem französischen Heer bilden 
          eine weitere Opfergruppe, zu denen v.a. im Politischen Archiv des Auswärtigen 
          Amtes in Berlin recherchiert wurde. 
          Die Ereignisse vom 11.September 2001 in den USA haben schließlich 
          den Bearbeiter veranlasst, sich in Artikeln und in Vorträgen namentlich 
          an Berliner Schulen über das Verhältnis von Islam und Islamismus 
          zu Frieden, Krieg und Terror zu äußern.  
         Zweite Forschungsphase 
          In der zweiten Phase wurde die Recherche nach arabischen KZ-Häftlingen 
          in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück in Fürstenberg/Havel 
          und der Gedenkstätte des SS-Sonderlagers Hinzert in Osthofen fortgesetzt. 
          Der Bearbeiter konnte auch das Angebot des ehemaligen Natzweiler- und 
          Dachau-Häftlings Ernest Gillen in Luxemburg wahrnehmen und sein 
          umfangreiches Privatarchiv zum Konzentrationslager Natzweiler-Stutthof 
          auswerten sowie durch seine Vermittlung Einblick in Unterlagen des Conseil 
          National de la Résistance/ Centre de Documentation et de Recherche 
          nehmen; das war deshalb so wichtig, weil die Nutzung des erst im Aufbau 
          begriffenen französischen Dokumentationszentrums für das KZ 
          Natzweiler derzeit nicht möglich ist. Mit dem Besuch im Service 
          des Victimes de la Guerre in Brüssel, einer Behörde des belgischen 
          Sozialministeriums, wurden die Recherchen zu den arabischen KZ-Häftlingen 
          im wesentlichen abgeschlossen; die dort gelagerten, bisher kaum bekannten 
          und genutzten Archivalien gaben Hinweise auf arabische Häftlinge 
          namentlich in den Lagern Lublin-Majdanek und Auschwitz.  
          Der Bearbeiter hat bisher etwa 450 arabische KZ-Häftlinge namhaft 
          machen können, die von der studentischen Hilfskraft Türkân 
          Yilmaz in einer Datenbank erfaßt wurden. Ergebnisse zu diesem 
          Aspekt seiner Forschungen wurden in dem Beitrag "Datenbanken und 
          andere 'Gedächtnisorte'. Auf der Suche nach arabischen KZ-Häftlingen" 
          auf der Projektversammlung am 14. Februar 2002 im Zentrum sowie in drei 
          Aufsätzen vorgestellt. Der Bearbeiter hat auch an Sendungen des 
          arabischen Fernsehsenders al-¹azÍra ( gesendet am 4.1.2003) 
          und des Norddeutschen Rundfunks (gesendet am 27.1.2003) über arabische 
          Nazi-Opfer mitgewirkt. 
          Der Bearbeiter recherchierte im Berichtszeitraum zu weiteren Opfergruppen, 
          v.a. zu arabischen Zwangsarbeitern und Opfern der nationalsozialistischen 
          Justiz. Dabei beschränkte er sich auf ausgewählte Regionen: 
          den berlin-brandenburger Raum, das mitteldeutsche Industrierevier, das 
          Ruhrgebiet, Emsland und Österreich. Er wertete Bestände des 
          Bundesarchivs und des Landesarchivs in Berlin, des Brandenburgischen 
          Landeshauptarchivs in Potsdam, der Staatsarchive in Gotha, Leipzig, 
          Meiningen und Rudolstadt, des Stadtarchivs in Jena, des Österreichischen 
          Staatsarchivs/ Archiv der Republik und des Dokumentationsarchivs des 
          österreichischen Widerstands sowie des Service des Victimes de 
          la Guerre in Brüssel aus. Die Recherchen werden 2003 durch Besuche 
          im Staatsarchiv Merseburg, im Stadtarchiv Dresden, im Hauptstaatsarchiv 
          Düsseldorf und im Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager 
          fortgesetzt und beendet. 
          Zwischenergebnisse dieser seiner Forschungen hat der Bearbeiter auf 
          dem Workshop "Arab Encounters with National Socialism" unter 
          dem Titel "Blind Angles. Arab Inmates in German Concentration Camps 
          and other Victims of National Socialism" präsentiert. 
          Die Recherchen zu arabischen Teilnehmern am Spanischen Bürgerkrieg 
          1936-1939 v.a. im Bundesarchiv/ Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen 
          der DDR (SAPMO), im Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin und im Centre 
          d'Etudes et de Documentation Guerre et Sociétés contemporaines 
          (CEGES) in Brüssel wurden abgeschlossen. Ergebnisse wurden in einem 
          Aufsatz für die Zeitschrift "INAMO" zusammengefaßt. 
          Ergebnisse der Recherchen über arabische Studenten und Studentenorganisationen 
          im nationalsozialistischen Deutschland sind in einem Sammelband über 
          die deutsch-ägyptischen Beziehungen veröffentlicht worden. 
         
         Inhaltlicher Ergebnisbericht 
          Gerhard Höpp: Im Schatten des Mondes. Arabische 
          Opfer des Nationalsozialismus 
           
          Vor etwa zehn Jahren schrieb Ina Friedman in der Einleitung 
          zu ihrem Buch "The Other Victims": Fünfzig Jahre nach 
          dem Holocaust glauben viele Leute, daß nur Juden Opfer der Nazis 
          waren. Das ist nicht richtig. Während sechs Millionen Juden im 
          Holocaust getötet wurden, wurden auch fünf Millionen Christen 
          mit Vorbedacht von den Nazis umgebracht. Muslime, Hindus, Buddhisten 
          oder Shintoisten, gar Atheisten, um im Sprachgebrauch der Autorin zu 
          bleiben, befinden sich scheinbar außerhalb ihres Gesichtskreises. 
          Dieser Umstand soll hier weniger Kritik auslösen als vielmehr die 
          Aufmerksamkeit darauf lenken, wie wenig offenbar Menschen außerhalb 
          der christlich-jüdischen Zivilisation als Betroffene, namentlich 
          als Opfer nationalsozialistischer Herrschaft an- und wahrgenommen werden. 
          Das schließt Araber, um die es hier geht, und andere Angehörige 
          afrikanischer und asiatischer Völker ein, die sich zwischen 1933 
          und 1945 im Herrschafts- und Einflußbereich des Nationalsozialismus 
          befanden. Ihre Begegnungen mit ihm haben - ganz im Gegensatz zu jenen 
          der Täter wie des notorischen Großmuftis von Jerusalem, 
          Amin al-Husseini - im kollektiven Gedächtnis der Völker - 
          auch der eigenen - keinen festen Platz gefunden; ihr Leiden unter ihm 
          und auch ihr Kampf gegen ihn befinden sich gewissermaßen im Schatten 
          des Mondes. 
          Dafür gibt es Gründe. 
          Neben dem eingeschränkten kulturellen, historischen und politischen 
          Horizont ist die augenscheinlich immer noch nicht ausreichende Vorstellungskraft 
          von der Totalität des Zugriffs und von der Vielfalt der Verfolgungs- 
          und Repressionsmethoden des Nationalsozialismus zu nennen. Hinzu kommt, 
          daß die Erinnerungen nichtjüdischer und nichtchristlicher 
          bzw. außereuropäischer Opfer nationalsozialistischer Unterdrückung 
          - im Unterschied zu denen der Täter - nur sehr selten aufgeschrieben 
          und so gut wie gar nicht verbreitet wurden, und in den publizierten 
          Erinnerungen ihrer europäischen Leidensgefährten finden sich 
          nur wenige Hinweise auf sie und ihr Schicksal. Das gilt auch für 
          die arabischen Opfer. 
          Zu diesen allgemeinen "Gefährdungen der Erinnerung" trat 
          im Kontext des arabisch-israelischen Konflikts eine Geschichts- und 
          Erinnerungspolitik, die unter anderem durch "Opfermonopolisierung" 
          versucht, auch das Leiden von Angehörigen der jeweils anderen Seite 
          durch den Nationalsozialismus gering zu schätzen, zu ignorieren 
          oder sogar zu leugnen. Das hat dazu beigetragen, das zumindest über 
          die arabischen Opfer (und auch Gegner) des Nationalsozialismus nicht 
          geredet wird: Es gibt zwar einen Diskurs der arabischen Täter, 
          aber keinen der arabischen Opfer. 
          Wir sind also, wenn wir so etwas wie historische Gerechtigkeit erstreben 
          wollen, auf eine "Rekonstruktion" der Erinnerung an sie angewiesen. 
          Dafür stehen uns Quellen, meist Archivalien, zur Verfügung, 
          die zum größten Teil von ihren Verfolgern und Peinigern stammen. 
          Bei ihrer Auswertung begegnet man weiteren "Gefährdungen der 
          Erinnerung". Die auffälligste ergibt sich aus dem Umstand, 
          daß in diesen Quellen Araber ebenso wie Angehörige anderer 
          afrikanischer und asiatischer Völker in der Regel als Staatsangehörige 
          der jeweiligen Kolonialmächte genannt werden, also kolonialistisch 
          codiert sind; sie erscheinen darin vor allem als "Franzosen", 
          seltener als "Spanier" und "Italiener". Ihre Identifizierung 
          ist folglich nur über Namen und Geburtsorte möglich. 
          Vor diesem Hintergrund habe ich in den zurückliegenden Jahren vor 
          allem in belgischen, deutschen und österreichischen Archiven nach 
          arabischen Opfern des Nationalsozialismus recherchiert . Ich meine damit 
          Menschen, die besonders in Deutschland und im besetzten Europa unmittelbare 
          und meist lebensbedrohende, auf jeden Fall extreme Begegnungen mit dem 
          nationalsozialistischen Repressionsapparat hatten. Die Quellen lassen 
          bisher sieben Repressionssituationen bzw. Opfergruppen erkennen, die 
          kaum oder gar nicht untersucht worden sind. Ich nenne sie nur stichwortartig 
          und anhand von wenigen Beispielen; sie erscheinen in einer Reihenfolge, 
          die die Chronologie der Situationen und den mit ihnen verbundenen, synchron 
          ansteigenden Leidensdruck der Betroffenen berücksichtigt. 
           
          1. Die alltägliche Belästigung und Verfolgung arabischer Migranten 
          in Deutschland und Österreich vor dem Zweiten Weltkrieg. 
          Im Januar 1932 informierte das ägyptische Konsulat die Sicherheitsbehörden 
          in Wien davon, daß Nationalsozialisten ägyptische Studenten 
          in Graz angepöbelt und verprügelt hatten und daß "merkwürdigerweise" 
          nur die Ägypter von der Polizei festgenommen worden waren. Die 
          Behörden veranlaßten eine gerichtliche Untersuchung, die 
          mit dem Freispruch der nationalsozialistischen Täter endete; sie 
          sah jedoch davon ab, das Konsulat davon zu unterrichten, "solange 
          dieses auf die Sache nicht von selbst zurückkommt". Ein Beamter 
          hatte übrigens hinter die Namen von drei der bei dem Überfall 
          verletzten Ägypter mit Bleistift das Wort "Jude" geschrieben. 
          Im Februar 1934 beklagte sich die ägyptische Gesandtschaft in Berlin 
          beim Reichsinnenministerium darüber, daß ein ägyptischer 
          Student in einem Tübinger Tanzlokal angepöbelt worden war; 
          weil er "schwarz" und von "niedriger Rasse" sei, 
          dürfe er nicht mit einer "Deutschen" tanzen, hatte der 
          Täter gemeint und zugeschlagen. Er blieb straffrei. Bereits im 
          Juli 1933 hatten die Diplomaten angefragt, ob das in der selben Stadt 
          verfügte Verbot für "Fremdrassige", die öffentlichen 
          Freibäder zu benutzen, auch für Ägypter gelte; im Mai 
          1934 teilte ihnen das Auswärtige Amt mit, das Verbot beschränke 
          sich auf "Juden". 
           
          2. Die Sterilisierung der sog. Marokkaner-Mischlinge. 
          Im Frühjahr 1937 verfügte eine am Sitz der Gestapo in Berlin 
          gebildete Sonderkommission die unauffällige Sterilisierung der 
          Rheinlandbastarde. Das waren Kinder und Jugendliche, die während 
          der französischen Rheinlandbesetzung in den zwanziger Jahren von 
          farbigen Soldaten, darunter Nordafrikanern, und deutschen Frauen gezeugt 
          worden waren. Unter ihnen, etwa 600 Personen, waren zahlreiche Kinder 
          von Marokkanern, sog. Marokkaner-Mischlinge . Sie wurden im Sommer 1937 
          als Träger artfremden Blutes unfruchtbar gemacht . 
           
          3. Die Internierung arabischer Migranten bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.Unmittelbar 
          nach Beginn des Krieges wurden in Deutschland, im annektierten Österreich 
          und im besetzten Polen Angehörige sogenannter Feindstaaten interniert. 
          Unter ihnen waren über 100 Araber, vor allem Ägypter, auch 
          Iraker, Libanesen und Algerier. Die Ägypter wurden auf Anordnung 
          Himmlers als Geiseln für die von den Briten in Ägypten internierten 
          Deutschen auf die Wülzburg bei Nürnberg gebracht - "in 
          dem Verhältnis, daß auf je einen in Ägypten internierten 
          Deutschen zwei Ägypter bei uns" kommen. In Freiheit sollten 
          nur diejenigen bleiben, "deren Tätigkeit uns nachweisbar von 
          Nutzen ist". Die Internierten wurden erst im Juni 1941 mit propagandistischem 
          Lärm aus dem Lager entlassen; einige waren schwer erkrankt, andere 
          wurden anderswo eingesperrt. 
           
          4. Die Kriegsgefangenschaft arabischer, namentlich nordafrikanischer 
          Soldaten des französischen Heeres. Das Schicksal dieser großen 
          Opfergruppe ist von der Forschung bisher kaum untersucht worden . Obwohl 
          separat von den "weißen" französischen Gefangenen 
          untergebracht, ist die Identifizierung der Araber als eigene Gruppe 
          allerdings schwierig, weil sie von den Deutschen zusammen mit Senegalesen 
          und Madegassen meist pauschal als "Schwarze und Farbige" registriert 
          wurden. Die Mehrheit befand sich in sog. Frontstalags in Frankreich 
          und Belgien, also außerhalb der Grenzen des Reiches; 1940 sollen 
          es über 67000, 1944 noch etwa 30000 gewesen sein; etwa 10000 befanden 
          sich in deutschen und österreichischen Stalags. Über ihre 
          Lebensbedingungen ist wenig bekannt. Eine bevorzugte Behandlung aus 
          propagandistischen Gründen wie im Ersten Weltkrieg fand, obwohl 
          von zivilen Stellen im Reich gelegentlich gefordert, nicht statt. Sicher 
          ist nur, daß die Mortalität vor allem in den Stalags außerordentlich 
          hoch war, weswegen ab 1942 viele Gefangene "aus klimatischen Gründen" 
          in südfranzösische Lager verlegt wurden. 
           
          5. Die Anwerbung und Verpflichtung arabischer Arbeiter in Frankreich 
          und Nordafrika. 
          Auch zu dieser großen Opfergruppe wurde kaum geforscht . 1943 
          sollen allein etwa 40000, 1944 etwa 60000 Algerier für das nationalsozialistische 
          Deutschland gearbeitet haben. Davon war ungefähr je ein Drittel 
          für die Organisation Todt und für französische Subunternehmen 
          in verschiedenen Teilen des Reiches und des besetzten Europa tätig; 
          ein Drittel bestand aus ehemaligen Kriegsgefangenen, deren Status in 
          den von Zivilarbeitern geändert worden war. Von 1941 bis 1943 wurden 
          unter den Arabern in Frankreich und - bis zur Landung der Alliierten 
          im November 1942 - auch in Nordafrika "Freiwillige" angeworben. 
          Mit der Einführung des "Service de travail obligé" 
          durch das Vichy-Regime im Februar 1943 wurden nun auch arabische Arbeitsmigranten 
          in Frankreich zur Arbeit für Deutschland gezwungen. Ihre Arbeits- 
          und Lebensbedingungen verschlechterten sich rapide. Es gibt Belege dafür, 
          daß sich schon Ende 1942 die Lage der bei I.G. Farben in Auschwitz-Monowitz 
          beschäftigten algerischen und marokkanischen Zivilarbeiter jener 
          der dort inhaftierten KZ-Häftlinge angeglichen hatte. Die Sterblichkeit 
          war hoch. Die Folge des Arbeitszwangs und der verschärften Ausbeutung 
          waren rapide zunehmende Fluchtversuche und Verstöße gegen 
          die "Arbeitsordnung". 
           
          6. Die polizeiliche und juristische Verfolgung von Arabern im Reich 
          und im besetzten Europa. 
          Seit 1943 nahm die polizeiliche und juristische Verfolgung von Arabern 
          im Reich und in den besetzten Gebieten deutlich zu; das belegen u.a. 
          Einträge in Fahndungsbüchern, Akten der Staatsanwaltschaften 
          und Zugangsbücher der Gefängnisse und Zuchthäuser. In 
          den etwa 70 Fällen, die ich bisher untersucht habe, waren vor allem 
          arabische Arbeitsmigranten und Zivilarbeiter sowie Kriegsgefangene die 
          Verfolgten. Unter den Migranten, die bereits vor 1939 ins Reich und 
          nach Österreich gekommen waren, gab es aktive Gegner des Nationalsozialismus, 
          die u.a. wegen "Hochverrats" zu hohen Gefängnisstrafen 
          verurteilt wurden; ein arabischer Student wurde wegen "Beihilfe 
          zur Fahnenflucht" eines Wehrmachtsangehörigen in ein Konzentrationslager 
          eingeliefert. Die verpflichteten Zivilarbeiter wurden meist wegen "Arbeitsbummelei", 
          "Arbeitsverweigerung" und "Verlassen des Arbeitsplatzes" 
          verurteilt, aber auch wegen "Diebstahls" und "Brotmarkenfälschung". 
          Die zuletzt genannten, oft aus Hunger begangenen Delikte wurden als 
          "Kriegswirtschaftsverbrechen" bewertet und mit Zuchthaus, 
          sogar mit dem Tode bestraft. In mehreren Fällen wurden "Arbeitsvertragsbrüchige" 
          in sog. Arbeitserziehungslager der Gestapo eingewiesen, "Arbeitsscheue" 
          und "Volksschädlinge" in Konzentrationslager. "Diebstahl" 
          wurde auch Kriegsgefangenen vorgeworfen; hinzu kamen "Meuterei", 
          "Körperverletzung" und "Vergewaltigung", also 
          Straftaten, die besonders durch ihre elende und isolierte Situation 
          begünstigt wurden. Die Sterberate der arabischen Gefängnishäftlinge 
          war hoch. 
           
          7. Die Verfolgung arabischer Gegner des NS-Regimes im Reich und in den 
          besetzten Gebieten. 
          Araber sind auch wegen Gegnerschaft zum Nationalsozialismus sowie aktiven 
          Widerstands gegen sein Regime verfolgt worden. Nach Kriegsbeginn waren 
          Araber am bewaffneten Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft beteiligt 
          und deshalb besonderer Verfolgung ausgesetzt. In Algerien wandte sich 
          der Widerstand v. a. gegen das mit den Nationalsozialisten kollaborierende 
          Vichy-Regime. Eine besondere Gruppe bildeten die sog. NN-Häftlinge. 
          Die Bezeichnung und der Status dieser Gefangenen rührten von den 
          am 7. Dezember 1941 vom Chef des OKW Wilhelm Keitel erlassenen Richtlinien 
          für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht 
          in den besetzten Gebieten und einem Begleitschreiben vom 12. Dezember 
          her. Dass Araber auch vollkommen willkürlich verdächtigt und 
          in Haft genommen wurden, verdeutlicht der Bericht eines französischen 
          Deportierten. Ihm begegnete im Gefängnis Fort de Montluc in Lyon 
          unter Widerstandskämpfern, spanischen Emigranten und Juden ein 
          Tunesier, der, vollkommen konsterniert, sich dort zu befinden, unaufhörlich 
          sagte: Nur nicht darüber nachdenken, mein Freund. 
           
          8. Arabische Häftlinge in nationalsozialistischen Konzentrationslagern. 
          Diese Opfergruppe stand im Mittelpunkt meiner Recherchen . Ich habe 
          bisher über 450 Häftlinge namentlich ermitteln können. 
          Es gab sie in allen Konzentrationslagern: in Auschwitz (34), Bergen-Belsen 
          (21), Buchenwald (149), Dachau (84), Flossenbürg (39), Groß-Rosen 
          (12), Mauthausen (62), Mittelbau-Dora (39), Natzweiler (37), Neuengamme 
          mit Außenlager Aurigny (110), Ravensbrück (25), Riga-Kaiserwald 
          (1), Sachsenhausen (42), Stutthof (3), Warschau (2) und Wewelsburg (2) 
          sowie im SS-Sonderlager Hinzert (3), im Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck 
          (7) und im Vernichtungslager Majdanek (4). Die Mehrheit stammte aus 
          Nordafrika - aus Algerien (247), Marokko (27) und Tunesien (22); einige 
          kamen aus Ägypten (5), dem Irak (4), Libanon (1), Palästina 
          (4) und Syrien (1). Von 140 Häftlingen konnte die Herkunft noch 
          nicht festgestellt werden. Die meisten waren Muslime. In Buchenwald, 
          Flossenbürg und Ravensbrück waren auch Frauen inhaftiert. 
          Die Quellen geben nur wenige Hinweise auf die Gründe für die 
          Einweisung dieser Menschen in die Lager. Mindestens fünf sind aber 
          erkennbar: 
           
          1. Die Teilnahme am Widerstandskampf gegen die Nazis in der französischen 
          Résistance oder seine Unterstützung. Solche Häftlinge 
          waren oft aufgrund des "Nacht-und-Nebel-Erlasses" verhaftet 
          und, mit der SS-Kategorie NN versehen, vor allem in die Lager Groß-Rosen, 
          Mauthausen, Natzweiler und Hinzert verbracht worden, wo sie isoliert 
          und einer "Sonderbehandlung" unterzogen wurden. 
          2. Die Geiselnahme von Sympathisanten der Widerstandsbewegung. Diese 
          Menschen wurden v.a. seit Frühjahr 1944 aufgrund des sog. Sperrle-Befehls 
          verhaftet und meist nach Neuengamme gebracht, wo die Sterblichkeit der 
          Gefangenen besonders hoch war. 
          3. Die Teilnahme an der Verteidigung der Republik im Spanischen Bürgerkrieg. 
          Die meisten der mit der SS-Kategorie "Rotspanier" versehenen 
          Häftlinge, unter ihnen Araber, kamen vorzugsweise nach Mauthausen. 
          4. Die Zugehörigkeit zum Judentum. Abgesehen von den sog. Austauschjuden 
          aus Jemen und Libyen in Bergen-Belsen , befanden sich vor allem Juden 
          aus Algerien unter den arabischen Häftlingen. Ich fand allerdings 
          nur relativ wenige, die aus Drancy kamen und die SS-Kategorie "Jude" 
          erhielten. Vermutlich wurden manche von ihnen für Muslime oder 
          Christen gehalten oder vielleicht sogar ausgegeben, was sie vor einem 
          schlimmeren Schicksal bewahrt haben mag. 
          5. Die große Mehrheit der Häftlinge waren ehemalige Zivilarbeiter 
          und Kriegsgefangene aus dem Reich und den besetzten Gebieten, v.a. aus 
          Frankreich; sie waren aus den bereits erwähnten Gründen und 
          infolge von "Auskämmaktionen" und "Säuberungen" 
          in die Lager eingeliefert wurden. 
           
          Die Haftbedingungen der Araber, über die kaum Details bekannt sind, 
          dürften denen der anderen nichtjüdischen, nichtpolnischen 
          und nichtrussischen Häftlinge ähnlich gewesen sein; das gilt 
          auch für ihre Sterblichkeitsrate von ca. 20 Prozent. 
          Gelegentlich wird die Frage nach rassischen Gründen für 
          die nationalsozialistische Verfolgung von Arabern gestellt und verneint 
          . Was die Einlieferung in Konzentrationslager und andere Haftanstalten 
          betrifft, so habe ich in der Tat nicht den Eindruck gewonnen, daß 
          ihre Zugehörigkeit zu einer - wie es im Nazi-Jargon hieß 
          - "Rasse artfremden Blutes" dafür ausschlaggebend gewesen 
          war und eine "Sonderbehandlung" bewirkt hätte: Die meisten 
          Araber waren auf gleiche Weise wie Millionen anderer Menschen den Nazis 
          in die Hände gefallen und ihrem alltäglichen Terror ausgesetzt. 
          Dieser Terror war allerdings rassistisch strukturiert, und das bekamen 
          auch Araber zu spüren: Arabische Migranten waren, wie erwähnt, 
          wegen Zugehörigkeit zu "einer niederen Rasse" angegriffen 
          worden. Kinder von Arabern wurden als Träger artfremden Blutes 
          sterilisiert. Arabische Kriegsgefangene sollten als "Farbige" 
          grundsätzlich außerhalb der Reichsgrenzen gehalten sowie 
          in den Lagern von den "Weißen" getrennt werden. Bei 
          juristischer Verfolgung von arabischen Straftätern hat sich ihre 
          "Farbigkeit" nachweislich als strafverschärfend erwiesen, 
          und Menschen wie die "Asoziale" Lucie M. waren, mit der SS-Kategorie 
          "Marokkanermischling" versehen, eindeutig aus rassistischen 
          Gründen ins KZ Ravensbrück eingeliefert worden. 
         
        Arbeitsergebnisse   
         
          
        Teilprojekt 3 
        Die palästinensischen Araber und der Nationalsozialismus  
          Zeitgenössische Ansichten und Erfahrungen 1933-45
        René Wildangel 
        Zusammenfassung des Abschlussberichts 
          (noch nicht verfügbar) 
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