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(Re-)Konstruktion von Nationalstaaten durch translokale Vergesellschaftung
Dr. Anja Peleikis
Katja Hermann
Zusammenfassung des Abschlussberichts der Gruppe
Die Diskussionen über Globalisierung hatten zur Folge, dass eine
Reihe sozialwissenschaftlicher Grundannahmen und -kategorien in Frage
gestellt wurden. Eine solche ins Wanken geratene Denkfigur ist die Vorstellung,
dass die Konturen einer Gesellschaft mit den Grenzen eines Nationalstaates
weitestgehend übereinstimmen. Die jeweiligen Terrritorialstaaten
sind jedoch oftmals nicht mehr ausschließlich der Raum, in dem
sich gesellschaftliche Akteure konstituieren und agieren. Erhöhte
Mobilität hat zur Folge, dass sich soziale Gruppen grenzüberschreitend
an unterschiedlichen Orten formieren. Dabei erlauben moderne Kommunikationsmittel
den einzelnen Akteuren, losgelöst vom direktem face-to-face Kontakt
und physischer Anwesenheit engen Kontakt zu entwickeln. Hier können
neue "soziale Landschaften" entstehen, die über die nationalstaatlich
und territorial verankerte Eingebundenheit hinausgehen.
Das Projekt wollte untersuchen, wie sich solche translokalen und transnationalen
sozialen Räume und Akteure in Diskurs und Praxis formieren. Am
Fallbeispiel zivilgesellschaftlicher Organisationen im Libanon und in
Palästina/Israel wurde der Frage nachgegangen, wie sich diese grenzüberschreitend
mit Formen und Visionen eines (neuen) Nationalstaates auseinandersetzen.
Die Teilprojekte wurden vor allem auf der Basis ethnologischer Feldforschung
sowie mit Hilfe von Presse- und Literaturrecherchen durchgeführt.
Unter anderem ergab die Arbeit, dass translokale Räume durch soziale
Akteure unter bestimmten Bedingungen zu unterschiedlichen Zeiten geschaffen
werden, jedoch stets einem dynamischen Wandel unterliegen und auf sich
verändernde politisch-legale Rahmenbedingungen reagieren. Dies
wurde insbesondere im Vergleich der beiden Teilprojekte deutlich. Während
im Libanon translokale Prozesse aus ökonomischem und politischem
Interesse von staatlicher Seite teilweise unterstützt werden, werden
sie im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts seitens
des israelischen Staates massiv behindert.
Teilprojekt 1
Translokale Akteure: Vision und Praxis gesellschaftlichen Wandels
im Libanon
Dr. Anja Peleikis
Zusammenfassung des Abschlussberichts
Transnationalisierungsprozesse der libanesischen Gesellschaft werden
immer augenfälliger. Vor diesem Hintergrund ging das Teilprojekt
"Translokale Akteure: Vision und Praxis gesellschaftlichen Wandels
im Libanon" der Frage nach, wie sich NGOs aus dem säkularen
Spektrum grenzüberschreitend konstituieren und wie sie agieren.
Die als Fallbeispiele untersuchten Menschenrechtsorganisationen setzen
sich für die Entkonfessionalisierung des politischen Systems und
insbesondere für ein ziviles Personenstandsgesetz ein.
Die auf ethnologischer Feldforschung und Presserecherche basierende
Arbeit ergab, daß säkular agierende Akteure im Gegensatz
zu lokalen und konfessionellen Gruppierungen grundsätzlich anders
translokal und transnational vernetzt sind. Somit kann im Libanon gewissermaßen
von zwei gleichzeitig ablaufenden Entwicklungen gesprochen werden: Einerseits
organisieren sich zuvor stark lokal und national integrierte gesellschaftliche
Bereiche, wie Großfamilien und Konfessionsgruppen, zunehmend translokal
und setzen diese grenzüberschreitenden Kontakte und Praktiken wiederum
für ihre partikularen Interessen im Libanon ein. Dies führt
dazu, daß das politisch-konfessionelle System auch durch translokale
Vernetzung eher gestärkt als geschwächt wird.
Dieser stark auf konfessionellen und Familienverbände konzentrierten
gesellschaftlichen Organisation widersetzen sich die säkularen
Gruppen, in denen Menschen zumeist unterschiedlicher Konfessionen und
Familien zusammenkommen. Ihre Arbeiten und Aktivitäten sind stark
von ihren Interaktionen und politischen Aktivitäten vor Ort in
Beirut geprägt, über die sie ihre gemeinsame Identität
und Handlungsfähigkeit herstellen. Gleichzeitig sind ihre Aktionen
stark beeinflußt von globalen Diskursen und Politiken, die für
die lokale Situation angeeignet, re-interpretiert und neu umgesetzt
werden. Darüber hinaus sind diese Gruppen mit international agierenden,
zu meist europäischen und nordamerikanischen Organisationen vernetzt,
von denen sie Finanzierung, Fortbildung und Kampagnen-Unterstützung
erhalten.
Somit versuchen die säkularen Aktivisten eine Re-Definition und
Re-Produktion des Lokalen und Nationalen vor dem Hintergrund ihrer internationalen
und oft auch kosmopolitischen Erfahrungen. Dies führt "vor
Ort" im Libanon, vor allem in Beirut, immer stärker
zu einem Nebeneinander und oft auch Gegeneinander von sehr unterschiedlich
translokal und transnational organisierten säkularen, politisch-religiösen
und familiären Gruppen, die ihre jeweiligen Netzwerke und Beziehungen
einsetzen, damit um Macht, Einfluß und Vorherrschaft im translokalen
und transnationalen Libanon zu konkurrieren.
Arbeitsergebnisse
Teilprojekt 2
Translokalität über die Grüne Linie: Die Palästinenser
in Israel zwischen israelischer Staatsbürgerschaft und translokaler
palästinensischer Vergesellschaftung
Katja Hermann
Zusammenfassung des Abschlussberichts
Die Diskussionen über Globalisierung hatten zur Folge, dass eine
Reihe sozialwissenschaftlicher Grundannahmen und kategorien in
Frage gestellt wurden. Eine solche ins Wanken geratene Denkfigur ist
die Vorstellung, dass die Konturen einer Gesellschaft mit den Grenzen
eines Nationalstaates weitestgehend übereinstimmen. Die jeweiligen
Terrritorialstaaten sind jedoch oftmals nicht mehr ausschließlich
der Raum, in dem sich gesellschaftliche Akteure konstituieren und agieren.
Erhöhte Mobilität hat zur Folge, dass sich soziale Gruppen
grenzüberschreitend an unterschiedlichen Orten formieren. Dabei
erlauben moderne Kommunikationsmittel den einzelnen Akteuren, losgelöst
vom direktem face-to-face Kontakt und physischer Anwesenheit engen Kontakt
zu entwickeln. Hier können neue "soziale Landschaften"
entstehen, die über die nationalstaatlich und territorial verankerte
Eingebundenheit hinausgehen.
Das Projekt wollte untersuchen, wie sich solche translokalen und transnationalen
sozialen Räume und Akteure in Diskurs und Praxis formieren. Am
Fallbeispiel zivilgesellschaftlicher Organisationen im Libanon und in
Palästina/Israel wurde der Frage nachgegangen, wie sich diese grenzüberschreitend
mit Formen und Visionen eines (neuen) Nationalstaates auseinandersetzen.
Die Teilprojekte wurden vor allem auf der Basis ethnologischer Feldforschung
sowie mit Hilfe von Presse- und Literaturrecherchen durchgeführt.
Unter anderem ergab die Arbeit, dass translokale Räume durch soziale
Akteure unter bestimmten Bedingungen zu unterschiedlichen Zeiten geschaffen
werden, jedoch stets einem dynamischen Wandel unterliegen und auf sich
verändernde politisch-legale Rahmenbedingungen reagieren. Dies
wurde insbesondere im Vergleich der beiden Teilprojekte deutlich. Während
im Libanon translokale Prozesse aus ökonomischem und politischem
Interesse von staatlicher Seite teilweise unterstützt werden, werden
sie im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts seitens
des israelischen Staates massiv behindert.
Projektpublikationen
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