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Transsaharische Beziehungen zwischen Marokko und dem subsaharischen
Afrika: Neugestaltung und Wiederbelebung transregionaler Verbindungen
Dr. Steffen Wippel
Dr. Laurence Marfaing
Zusammenfassung des Abschlussberichts der Gruppe
Das Projekt "Transsaharische Beziehungen zwischen Marokko und dem
subsaharischen Afrika: Neugestaltung und Wiederbelebung transregionaler
Verbindungen" untersuchte die Neu- bzw. Wiederentstehung eines
transsaharischen Raumes. Der Fokus lag dabei auf der Entfaltung der
saharaüberschreitenden Kontakte Marokkos seit 1989/90, ohne dabei
die historische Perspektive zu vernachlässigen. Ausgangspunkt der
Betrachtung waren wirtschaftliche Beziehungen zwischen Marokko und dem
subsaharischen Afrika. Erforscht wurden ebenso die mit den materiellen
Beziehungen einhergehenden Prozesse der geistigen Wahrnehmung, Verarbeitung
und Gestaltung der gegenseitigen Verflechtungen.
Eine wesentliche Rolle nahm die Frage nach der Konstituierung übergreifender
Kontakträume bei teilweise zunehmendem Rückzug von Staatlichkeit
ein. Theoretisch nahm das Vorhaben Aspekte von Homogenisierung und Heterogenisierung
auf, die die heutige wirtschafts- und kulturwissenschaftliche Globalisierungsdebatte
prägt und konzentrierte sich auf die indigene Perspektive solcher
Prozesse. Dem Forschungsgegenstand näherten sich die beiden Projektbearbeiter
aus einander ergänzenden Mikro- und Makroperspektive sowie in komplementärer
historischer Tiefe und aus unterschiedlichen geographischen Blickwinkeln
an.
Ein wesentliches Element der gemeinsamen Projektarbeit stellten die
Durchführung der Internationalen Tagung "Relations transsahariennes
aux 20e et 21e siècles - Réorganisations et revitalisations
d'un espace transrégional" im Oktober 2002 sowie die konzeptionelle
Verarbeitung der Ergebnisse und ihre Veröffentlichung in einem
Sammelband dar.
Meist wird die Sahara eher als schwer zu überwindende Barriere
zwischen dem nördlichen und dem sub-saharischen Afrika wahrgenommen.
Die Arbeiten der Projektbearbeiter hingegen, ebenso wie Beiträge
der Tagung, präsentierten die Sahara aus historischen, kultur-
und wirtschaftswissenschaftlichen Perspektiven als Durchgangs-, Begegnungs-
und Kontaktraum. Sie zeigten die Vielfalt, die Dynamik und die zahlreichen
Bezüge historischer und zeitgeschichtlicher Kontakte über
die Sahara hinweg und untersuchten die Ströme von Menschen, Gütern
und Ideen, die sie durchqueren, und die daraus entstehenden realen und
imaginären Räume.
Bewegungen von Menschen durch die Sahara resultieren vor allem aus staatenüberschreitenden
Flücht-lingsströmen aus Ländern südlich der Sahara
in das nördliche Afrika und weiter nach Europa. Von seiten des
Maghreb wurden in den letzten Jahren Bemühungen unternommen, die
politischen und/oder wirtschaftlichen Beziehungen zum subsaharischen
Afrika wieder zu verstärken.
Bearbeitet wurde außerdem die Frage danach, ob mit den neuen Nord-Süd-
und Süd-Nord-Beziehungen über die Sahara hinweg etwa auch
eine beginnende "informelle Regionalisierung" einhergeht.
Integrativen und kooperativen Momenten stehen dabei Prozesse von Konflikt
und Zerfall gegenüber. In historischer Perspektive spiegelt sich
die lange Geschichte transsaharischer Kontakte in zeitgenössischen
Repräsentationen, die nicht nur reine Erinnerungen an die Vergangenheit
darstellen; vielmehr werden sie durch die heutigen gesellschaftlichen
Akteure stets neu verhandelt werden, um damit eigene Ziele zu unterstützen.
Diskutiert wurde des weiteren die Anwendbarkeit theoretischer Konzepte
darunter solcher wie der "Regionalisierung" oder der
"Geographie von unten" auf die Transsahara-For-schung.
Weitere konzeptionelle Überlegungen betrafen die "Translokalität",
auch in Hinblick auf die übergreifende Debatte am ZMO: dieser Ansatz
konnte in erster Linie dazu beitragen, essentialistische Vorstellungen
"natürlicher" Regionen zu dekonstruieren und statt dessen
Räume und ihre Eigenschaften, wie z.B. den "feindlichen"
und Kontakte "behindernden" Charakter der Sahara, als soziale
Konstruktionen wahrzunehmen. Darüber hinaus gewann das Konzept
translokaler sozialer Räume für das Projekt an Bedeutung.
Es konnte gezeigt werden, dass sich die Sahara weniger als ein translokaler
Raum, sondern eher als ein Geflecht unterschiedlicher translokaler sozialer
Räume, die von den Akteuren strukturiert werden, beschreiben lässt.
Aus dem Ende 2003 abgeschlossenen Projekt hervorgehend beschäftigt
sich Laurence Marfaing weiterhin mit Formen und Räumen der Soziabilität
im nordwestlichen Afrika, während Steffen Wippel die unterschiedlichen
regionalen Verortungen und Wirtschaftsräume Marokkos untersucht.
Teilprojekt 1
Marokkos Außenbeziehungen mit dem subsaharischen Afrika am Ende
des 20. Jahrhunderts: Materielle und kognitive Aspekte regionaler Verdichtung
Dr. Steffen Wippel
Zusammenfassung des Abschlussberichts
Das Forschungsvorhaben, das Marokkos transsaharische Beziehungen und
deren Wahrnehmungen untersuchte, konnte seit der zweiten Hälfte
der 1990er Jahre einen erheblichen Aufschwung der formellen Beziehungen
Marokkos zu den subsaharischen Staaten feststellen. Dieser findet zum
einen auf politischer Ebene statt, zum anderen wurden auch die wirtschaftlichen
Beziehungen gestärkt. Besonders hervorzuheben ist das starke direkte
Engagement marokkanischer Firmen südlich der Sahara. Auch der Handelsaustausch
stieg von Jahr zu Jahr (ausgenommen einen erheblichen Einbruch 1998)
stetig an. Allerdings bleiben die prozentualen Anteile am gesamten marokkanischen
Außenhandel gering; berücksichtigt man jedoch die wirtschaftliche
"Kleinheit" der Partnerstaaten, zeigen überdurchschnittliche
"Intensitäten" subregionale Verdichtungen des Handels
in Afrika südlich der Sahara. Darüber hinaus bestehen auf
religiösem Gebiet und im Bildungsbereich weiterhin enge Beziehungen;
für Flüchtlinge aus dem subsaharischen Afrika wurde Marokko
zunehmend zum Transitland nach Europa, aber auch selbst zum Zielland.
"Regionalisierung" findet nicht nur formal "von oben",
im Rahmen gemeinsamer Organisationen statt, sondern individuelle (mikroökonomische)
Aktivitäten strukturieren ebenfalls den Raum und lassen in ihrer
Gesamtheit auch Muster gewachsener regionaler Verdichtungen von (Wirtschafts-)Beziehungen
erkennen. Ein Ziel des Forschungsvorhabens war es, mit dem Blick über
die Sahara von üblichen, verfestigten regionalen Abgrenzungen abzugehen
und tatsächlich bestehende Verflechtungen zu bestimmen, die leicht
übersehen werden. Die politischen und wirtschaftlichen Kontakte
Marokkos betreffen jedoch nicht das gesamte subsaharische Afrika. So
verdichten sich bspw. die Handelsbeziehungen in einem Raum zwischen
dem Senegal und dem Kongo. Auch für andere Größen gilt
eine grundsätzliche Konzentration auf des westliche und zentrale
Afrika. Die meisten Beziehungen verlaufen bilateral; doch sind auch
Bemühungen um eine Annäherung an regionale Organisation erkennbar,
die die Länder einschließen, zu denen bereits die intensivsten
Kontakte bestehen. Das wieder erwachte Interesse Marokkos an transsaharischen
Kontakten stellt keinen Einzelfall dar, sondern läßt sich
auch seitens anderer nordafrikanischer Staaten erkennen, auch wenn dort
die Motive, Schwerpunkte, Herangehensweisen und geographische Orientierungen
zum Teil erheblich abweichen. Generell gewinnt jedoch die ökonomische
Bedeutung der Beziehungen an Gewicht. Ursachen hierfür sind Blockaden
anderer regionaler Orientierungen. Die nordafrikanischen Staaten möchten
wirtschaftlich zu Drehscheiben zwischen ihren unterschiedlichen regionalen
Verortungs- und Kooperationsräumen werden. Im Vergleich zu anderen
regionalen Orientierungen stellen die Beziehungen über die Sahara
jedoch lediglich eine "sekundäre" oder "tertiäre
Regionalisierung" dar.
Des weiteren wurde festgestellt, daß auf marokkanischer Seite
auch immer wieder die "Afrikanität" Marokkos und sein
Scharniercharakter am Übergang mehrerer üblicherweise betrachteter
Großregionen hervorgehoben wurde. Trotz des regelmäßig
hergestellten Bezugs zu den "jahrhundertealten Beziehungen"
stimmen die Wahrnehmungen und die historische Realität jedoch nur
begrenzt überein. Ein großer Teil der Länder, mit denen
Marokko heute intensiven Handel betreibt, gehörte nicht zu seinem
vorkolonialen Handlungsraum. Darüber hinaus wandelten sich die
gehandelten Güter, die Routen und die involvierten Akteure erheblich.
Besondere Beachtung erhielten die seit den 1950er Jahre äußerst
wechselhaften Beziehungen zu Mauretanien. Auch hier nahmen in jüngerer
Zeit die politischen und wirtschaftlichen Kontakte zu. Die vielfältigen
Faktoren, die Nähe ausdrücken, tauchen in unterschiedlichen
historischen Begründungszusammenhängen regelmäßig
wieder auf, gleich ob die Einstellungen gegenüber der mauretanischen
Regierung und Politik positiv oder negativ ausfielen. Feststellen lassen
sich des weiteren vielfache regionale Verortungen der beiden Länder
individuell und gemeinsam; hervorgehoben wird besonders die jeweilige
Brückenfunktion. Unter den zahlreichen regionalen Verortungen des
gegenseitigen Verhältnisses ist die materielle und mentale Besetzung
des Raumes zwischen Mittelmeer bis zum Senegal zentral, der im Laufe
der Zeit einen Bedeutungswandel erlebte. Dieser Raum ist sowohl von
Formen zeitweiliger Kooperation wie auch von fortwährenden Konflikten
geprägt. Lange Zeit wurden Mauretanien und der Senegal, dem man
sich Marokko ebenfalls seit langer Zeit eng verbunden fühlt, als
getrennte Partner gesehen; erst allerjüngst wird das Verhältnis
als gemeinsames, prinzipiell erweiterbares Dreieck im nordwestlichen
Afrika konzipiert. Das Forschungsprojekt betont darüber hinaus
am Beispiel der westlichen Transsahararoute, aber auch der geplanten
Verbindung über die Straße von Gibraltar die symbolische
Bedeutung solcher Infrastrukturvorhaben für die regionalen Orientierungen
Marokkos, insbesondere nach Afrika.
Projektpublikationen
Teilprojekt 2
Kleinunternehmer als "interkulturelle Makler": Zur Entstehung
sozialer Räume durch wirtschaftliches Handeln
Dr. Laurence Marfaing
Zusammenfassung des Abschlussberichts
Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens stand die Frage der Konstituierung
translokaler sozialer Räume durch senegalesische Händler und
Händlerinnen zwischen Senegal, Mauretanien und Marokko aus historischer
Sicht im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Es sollte der Prozess, der zur
Entstehung translokaler sozialer Räume führt, aus der Perspektive
der senegalesischen Akteure untersucht werden. Dabei spielten insbesondere
gegenseitige Wahrnehmungen, die Rolle der Religion sowie bestimmte Formen
sozialer Interaktionen eine Rolle. Um die Entstehung translokaler sozialer
Räumen herausarbeiten zu können, war es notwendig, die Beziehungsaspekte
(aspects relationnels) im täglichen Lebenskontext (dans
le contexte quotidien) zu betrachten, ohne dabei in den Interviews
die verschiedenen Perspektiven der jeweiligen Akteure außer Acht
zu lassen, denn jeder Akteur verlässt sich auf eine Vielzahl von
Wahrnehmungen und Gefühlen je nach Erziehung, eigenem Lebenslauf,
kulturellem Milieu oder der eigenen Stellung innerhalb der Gruppe. Außerdem
wurden Aussagen der Akteure mit Archivmaterial abgeglichen und konnten
somit in die jeweiligen zeitlichen sozialen Kontexte integriert werden.
Die Annäherung an einen sozialen Raum ist durch das Herstellen
von Verbindungen (mise en relation) zwischen den verschiedenen
Betrachtungspunkten möglich. Auf diese Art konnte eine Vielfalt
der Perspektiven wiedergeben und die Dynamik sowie Interaktion der gesellschaftlichen
Beziehungen in einem Raum und Zeitabschnitt im Zusammenhang mit der
Vielfalt der Vorstellungen der Akteure herausgearbeitet werden.
Das Verbinden religiöser Handlungssräume mit Handel lässt
sich historisch bis in die frühislamische Zeit zurückverfolgen
und gilt auch heute im transsaharischen Raum. Die Hintergründe
dieser Beziehungen wurden in der longue durée für
Senegal/Mautetanien/Marokko untersucht, genauso wie deren Auswirkungen
auf den heutigen Wirtschaftsaufschwung des informellen Handels, hinter
dessen Dynamik ursächlich informelle Strukturen und Netzwerke stehen,
die sich nur aufgrund der in Marokko und Senegal vorhandenen endogenen
Strukturen erklären lassen. Die Untersuchungen der Bearbeiterin
über die Zielgruppe der Händler und Händlerinnen in Casablanca
ergaben interessante Aufschlüsse über die Rolle der Religion
im Handel.
Methodisch hat sich die Bearbeiterin für eine nicht rückläufig
orientierte historische Untersuchung [histoire à rebours]
entschieden, die mit den senegalesisch-marokkanischen Beziehungen am
Ende des 19. Jahrhunderts beginnt. Diese Vorgehensweise ermöglicht
es, die Beziehungen zwischen Handel und Religion in ihren, d.h. translokalen,
historischen Kontext zu stellen und ihre Entfaltung nachzuvollziehen.
Parallele Entwicklungen können somit besser wahrgenommen werden.
Zudem verdeutlicht diese Art der Darstellung, wie bestimmte Entscheidungen
zu Engpässen führten oder ganz im Gegenteil neue Möglichkeiten
für die Händler eröffneten.
Es stellte sich die Frage, mit welchen Konzepten diese alten und stets
fortschreitenden Beziehungen erfasst werden könnten, und wie das
Neuartige dieser Kontakte und deren Auswirkungen auf die Gegenwart bestimmt
werden können. Als gewinnbringend erwies es sich, am Konzept der
Translokalität und der Entstehung translokaler sozialer Räume
anzusetzen. Anhand der Forschung der Bearbeiterin lässt sich Translokalität
in der longue durée darstellen. ( Die Entstehung translokaler
sozialer Räume in der longue durée, des translokalen
Raumes als Bezeichnetes und der Akteure als Bezeichnende wird in der
Graphik im Anhang dargestellt.). Soziale Räume können auf
diese Weise bestimmt werden, wobei gerade deren historische Entwicklung
und die Tradierung von Verhaltensmustern es gestatten, die Logik und
angewandten Strategien herauszuarbeiten.
Im geographischen Raum Senegal-Mauretanien-Westsahara leben ähnliche
Bevölkerungsgruppen, zum Teil sogar Verwandte. Einerseits sind
es die Tukuleur und Peulh am Senegalfluß-Mauretanien, andererseits
leben im Raum Mauretanien-Westsahara die Sarahoui. Diese Völker
haben gemeinsam, dass sie eher ihrer Bevölkerungsgruppe angehören,
als dass sie sich mit einer nationalen Identität identifizieren.
Für die Frauen, die als Händlerinnen arbeiten, sind die wirtschaftlichen
und sozialen Beziehungen einerseits in alte Beziehungsgeflechte eingebettet,
schließlich bewegen sie sich in von ihren Familien (oft von ihren
Ehemännern) hergestellten komplexen und über familiäre
Bindungen hinausgehenden Netzwerken. Andererseits entwickeln die Händlerinnen
eigene wirtschaftliche Strategien größere Handelsmöglichkeiten
oder einen großen Auftrag haben, beteiligen kleinere und bauen
individuelle Netzwerke auf, die ebenfalls den Charakter translokaler
sozialer Beziehungen haben und schaffen somit translokale soziale Räume.
Die Händlerinnen, die Händlerinnen. Die Netzwerke sorgen für
die Zirkulation der Informationen, erlauben aber auch die gegenseitige
Hilfe und Ausbildung. Die Aktivitäten der Teilnehmerinnen sind
zwar oft Konkurrenziell, aber auch oft komplementär. Frauen, die
so viel akkumuliert haben, dass sie ihre Handelskreise über Mauretanien
hinaus erweitern können, ermöglichen jüngeren Händlerinnen
den Einstieg in ihre Netzwerke, indem sie diese an ihren eigenen Geschäften
vor Ort beteiligen, damit sie eine Stelle innerhalb des Netzwerkes besetzen.
Das Handelsmilieu sowohl zwischen Saint-Louis-Rosso-Nouakchott als auch
um die Grenze zwischen Nouadhibou und Dakhla ist so kodiert, dass man
ohne Schirmherrschaft nicht daran teilnehmen kann. Die verschiedenen
Gruppen der Händlerinnen und Händler passen sich der sozialen
Umgebung an, je nach historischen Erinnerungen, Kulturgut, Umgebung,
und Herkunftsort sowie je nach Bedarf und Zielen in den verschiedenen
geographischen Räumen. Beschreibbar ist, dass Gruppen der Händlerinnen
in Rosso und der Händler in Nouakchott (oder beide zusammen in
Guergarate) unterschiedliche soziale Räume bilden, je nachdem,
mit welchen Waren sie handeln, welche Beziehungen sie nutzen und wohin
sie reisen. Darüber hinaus kann jeder einzelne soziale Raum unterteilt
werden: Männer und Frauen im Raum Rosso-Nouakchott bilden wiederum
Unterkategorien sozialer Räume, die sich aus den verschiedenen
bzw. gemeinsamen Zielen oder der religiösen Gemeinschaft bilden
lassen. Auch andere Kriterien lassen sich wahrnehmen, wie z.B. Altersklasse
und Rolle innerhalb der Gruppe. Alle daraus entstehenden Sozialräume
können zwar getrennt betrachtet werden, aber durch ihre Beweglichkeit
lassen sich Schnittstellen aufzeichnen, die sie als verflochten erscheinen
lassen.
Projektpublikationen
Zusammenfassung
Das Teilprojekt "Unternehmer als interkulturelle Makler"
untersuchte die Beziehungen zwischen zwei westafrikanischen Ländern,
Senegal und Mauretanien, sowie Marokko aus der Akteursperspektive von
Kleinunternehmern. Dazu wurden längere Fallstudien im Senegal,
in Mauretanien und in Marokko durchgeführt. Um eine möglichst
dichte Beschreibung und Interpretation der Praxis zu gewährleisten,
wurden ausgewählte Unternehmer/innen, die im Transsaharahandel
involviert sind, auf ihren Handelsreisen oder bei Transportdienstleistungen
begleitet. Dies schloss sowohl subsaharische als auch marokkanische
Akteure ein.
Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens stand die Frage der Konstituierung
translokaler sozialer Räume durch senegalesische Händler und
Händlerinnen zwischen Senegal, Mauretanien und Marokko aus historischer
Sicht im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Es sollte der Prozess, der zur
Entstehung translokaler sozialer Räume führt, untersucht werden.
Dabei spielten insbesondere gegenseitige Wahrnehmungen der Akteure,
die Rolle der Religion sowie bestimmte Formen sozialer Interaktionen
eine Rolle.
Um die Entstehung translokaler sozialer Räumen herausarbeiten zu
können, war es notwendig, die Beziehungsaspekte (aspects relationnels)
im täglichen Lebenskontext (dans le contexte quotidien)
herauszuarbeiten, ohne dabei in den Interviews die verschiedenen Perspektiven
der jeweiligen Akteure außer Acht zu lassen, denn jeder Akteur
verlässt sich auf eine Vielzahl von Wahrnehmungen und Gefühlen
je nach Erziehung, eigenem Lebenslauf, kulturellem Milieu oder der eigenen
Stellung innerhalb der Gruppe.
Anhand der Forschungsergebnisse der Bearbeiterin lässt sich Translokalität
im transsaharischen Raum in der longue durée darstellen,
wobei gerade das Nachvollziehen der historische Entwicklung es gestattet,
die Rationalität und die angewandten Handlungsstrategien der Akteure
nachzuvollziehen.
Arbeitsergebnisse
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