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DFG - Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis PDFLog

 

 

Untertanen, Gläubige, Staatsbürger/innen – Konzepte politischer Legitimität in Marokko

Dr. Bettina Dennerlein
Dr. Sonja Hegasy

Zusammenfassung des Abschlussberichts der Gruppe
Das Projekt untersuchte Phänomene der Legitimation von Macht und Herrschaft im Marokko des 19. und 20. Jahrhunderts. Im Zentrum der Arbeit an dem Gesamtprojekt standen zunächst die Vorbereitung und die Durchführung eines Kolloquiums, das am 27. und 28. Oktober 2001 am ZMO zum Thema "La légitimation du pouvoir au Maghreb (XIXe et XXe siècles)" stattfand. Das Kolloquium brachte zehn jüngere Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern (Deutschland, Frankreich, Algerien, Marokko) und Disziplinen zusammen. Die Vorträge umfaßten historische, islamwissenschaftliche, politikwissenschaftliche sowie architekturgeschichtliche Ansätze. Die Beiträge und Diskussionen beschäftigten sich mit verschiedenen Formen von Macht und Herrschaft, ihrer Durchsetzung, Verhandelbarkeit, Performanz und Habitualisierung sowie mit ihrem jeweiligen legitimatorischen Potential - aber auch mit Widerspruch gegen sie. Das Kolloquium hat sowohl die konzeptionelle als auch die empirische Fundierung des Projekts vorangetrieben. Die Grundannahme der Bearbeiterinnen, daß sich Legitimation als dynamisches, prozeßhaftes Phänomen starren Typisierungen entzieht, konnte bestätigt und gleichzeitig weiter konkretisiert werden. Die historische Tiefe über zwei Jahrhunderte hinweg hat sich dabei als besonders fruchtbar erwiesen. Sie ermöglichte es, in Abgrenzung zu weit verbreiteten kulturalistischen Generalisierungen gerade die Komplexität und Wandelbarkeit von Macht/Herrschaft und deren Legitimation sichtbar zu machen. Die Zusammenführung unterschiedlicher theoretischer und methodischer Zugänge und die Verbindung von Makro- mit Mikroanalysen trug außerdem dazu bei, die thematische Breite der untersuchten Problematik weiter auszuloten.
Die Bearbeiterinnen haben ihr Projekt auch über den genannten Workshop hinaus in engem Zusammenhang mit internationalen Forschungsdiskussionen durchgeführt. Dies geschah zum einen durch Publikationen und Vortrags- bzw. Kongreßreisen (siehe CVs). Im November 2002 haben die Bearbeiterinnen gemeinsam an der Jahrestagung der Middle East Studies Association in Washington teilgenommen. Bettina Dennerlein präsentierte ihre Arbeit unter dem Titel "How to venerate saints: Competing for religious authority in 19th century Morocco”. Sonja Hegasy hielt einen Vortrag zu "Mohammed VI - King of Divine Right?”. Zum anderen haben die Bearbeiterinnen internationale Arbeitszusammenhänge insbesondere auch solche mit Marokko durch Gasteinladungen ans ZMO schaffen bzw. vertiefen können. Im Mai 2003 diskutierte Prof. Abdelahad Sebti (Universität Mohamed V, Rabat / Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin) Aspekte seiner Arbeit zum Thema "Historical construction(s) of space. The Moroccan case" mit den Mitarbeitern des ZMO. Im April 2003 hielt Prof. el Harras im Rahmen seines Aufenthaltes als Gastwissenschaftler einen öffentlichen Vortrag zum Thema "Youth and Changing Religious Values in Morocco". Im März 2002 stellte Dr. Abdeslam Maghraoui (Princeton University) sein komparatives Forschungsprojekt unter dem Titel "Giving Politics its Due in the Muslim World: Conflicts of Power and Authority in Morocco, Iran, and Libya" vor. Im Oktober 2001 hielt Prof. Fanny Colonna (CNRS, Aix-en-Provence) einen öffentlichen Vortrag unter dem Titel "Voyages fin de siècle dans la province éduquée: Egypte" am ZMO. Dr. Jillali el-Adnani (Universität Agadir) war zweimal als Gastwissenschaftler am ZMO. Im Oktober 2001 nahm er an dem bereits erwähnten Workshop teil. Im Juli 2003 stellte er in einem Arbeitsgespräch am ZMO einen noch unveröffentlichten Text über das Spannungsverhältnis zwischen religiöser und politischer Legitimität in Marokko zur Diskussion. Auch die Gastaufenthalte der marokkanischen Historiker Prof. Khalid Ben Srhir (Universität Mohammedia) und Dr. Driss Maghraoui (Universität Ifrane) am ZMO im Rahmen des Projekts waren für beide Teilprojekte gewinnbringend.

Teilprojekt 1

Bai`a, shura, majalis `ilmiyya – Islam und politische Integration im Marokko des 19. Jahrhunderts

Dr. Bettina Dennerlein

Zusammenfassung des Abschlussberichts
Das Teilprojekt "Bai`a, shura, majalis `ilmiyya – Islam und politische Integration im Marokko des 19. Jahrhunderts" beschäftigte sich am Beispiel der Rolle marokkanischer Religions- und Rechtsgelehrter mit der integrativen Funktion von Religion im Marokko des 19. Jahrhunderts. Im Lauf der Bearbeitung haben sich die drei bereits im Titel angelegten Untersuchungsachsen deutlicher herauskristallisiert. Das Quellenstudium konnte die Annahme untermauern, daß die Einsetzung von Herrschern durch Treueid (bai`a), die Praxis der Konsultation von Gelehrten (shura bzw. istishara) und schließlich mehr oder weniger formalisierte Debatten über bestimmte religiöse Fragen zentrale Momente darstellen, in denen Rechts- und Religionsgelehrte an der Herstellung politischer Integration teilhaben. Anhand der Untersuchung dieser verschiedenen Momente wird der komplexe und prozeßhafte Charakter von religiöser Legitimation als Zusammenspiel bestimmter mehr oder weniger formalisierter bzw. ritualisierter Praxen mit diskursiven Elementen greifbar. Legitimität und Kontinuität von Herrschaft in einer islamischen Monarchie.

Projektpublikationen

Teilprojekt 2

Legitimität und Kontinuität von Herrschaft in einer islamischen Monarchie

Dr. Sonja Hegasy

Zusammenfassung des Abschlussberichts
Das Teilprojekt Legitimität und Kontinuität von Herrschaft in einer islamischen Monarchie untersucht die gesellschaftspolitischen Debatten um die Legitimität des marokkanischen Herrscherhauses. Vor dem Hintergrund der sich seit dem 19. Jahrhundert zuspitzenden Legitimationsproblematik sollte untersucht werden, wie das marokkanische Königshaus seine Legitimität im 20. Jahrhundert insbesondere in Zeiten historischen Umbrüchen sichert. Das Teilprojekt untersuchte, inwieweit die vom neuen König und seiner entourage eingesetzten Konzepte politischer Legitimierung von jungen Erwachsenen akzeptiert werden. Vor dem Hintergrund des demographischen und gesellschaftlichen Wandels in Marokko soll die Wirksamkeit neuer Argumentations- und Legitimationsmuster untersucht werden. Im Gegensatz zu weit verbreiteten Annahmen über die essentielle Bedeutung von Religion im Nahen Osten wertet die Bearbeiterin die Haltungen von jungen Bürger/innen zu ihrem König unter der Annahme aus, daß die Wichtigkeit von religiöser Legitimität und der königlichen Rolle als "Führer der Gläubigen" abnimmt.

Projektpublikationen