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Transkulturelle Vermittlung islamischen Wissens: Ausländische Studenten an islamischen Hochschulen Südasiens und ihre Wirkung auf die HerkunftsländerDas Projekt untersuchte den Transfer islamischen Wissens zwischen Südasien und Südostasien, die herkömmlich zur „Peripherie“ der islamischen Welt gerechnet wurden. Diese Untersuchung wurde am Beispiel islamischer Schulen und Bewegungen aus Südasien (Indien, Pakistan) vorgenommen. Sie sollte verdeutlichen, in welcher Weise hier im Rahmen einer „Süd-Süd-Zusammenarbeit“ im Islam auch außerhalb der arabischen Welt Beeinflussung, Normsetzung und Mobilisierung ablaufen. Dabei wurde die wachsende internationale Rolle Südasiens in der islamischen Wissensvermittlung deutlich. Zugleich wurde sichtbar, wie diese islamischen Bildungs- und Glaubensbewegungen ihre eigenen Formen regionaler und globaler Vernetzung und Kooperation entwickeln und damit auch die aktuellen Prozesse der Globalisierung unmittelbar gestalten und Formen „alternativer Globalitäten“ hervorbringen. Zu den untersuchten Bewegungen gehören die eher traditionellen Religionsseminare (Madrasas), die sich an den Seminaren von Deoband und der Nadwa in Lucknow (Nordindien) orientieren, die ihnen verbundenen Missionsgruppen der Tablighi Jama’at, aber auch moderne Einrichtungen, wie die Internationalen Islamischen Universitäten von Islamabad und Kuala Lumpur, oder die Schulen und Einrichtungen der Islamischen Parteien in Pakistan (Jama’at-i Islami) und Malaysia (PAS). Sie pflegen intensive translokale Kontakte gegenseitiger Einflussnahme, die zur Dynamisierung und Ausdifferenzierung islamischer Normen und Praktiken führen. Die erwähnten Gruppen vertreten dabei eher reformislamische, puristische Positionen, die sich auch gegen abweichende Islam-Interpretationen und Nicht-Muslims richten. In dem Zusammenhang ist eine Zunahme der doktrinären, ideologischen und politischen Spannungen zu beobachten. Zugleich durchlaufen diese Strömungen einen tiefen Umbruchprozess der Modernisierung, in dem sie sich schrittweise gegenüber der Gesellschaft und der Notwendigkeit entwicklungsorientierten Handelns öffnen, u.a. auch durch die zunehmende Konkurrenz auf dem privaten religiös orientierten Bildungsmarkt. Bei der Projektdurchführung erwiesen sich die Möglichkeiten des „multi-sited research“ als besonders wertvoll, die es gestatteten, den Akteuren und Institutionen an wechselnde Schauplätze zu folgen und aus unterschiedlichen Perspektiven wahrzunehmen. Die Forschungen beruhten dazu auf Feldaufenthalten und qualitativen Interviews sowie der Auswertung Grauer Literatur in Süd-, Südostasien und Afrika. Die Ergebnisse werden in zwei referierten Sammelbänden und mehreren Aufsätzen in referierten Fachjournalen dokumentiert. Das Projekt erhielt international viel Aufmerksamkeit und Zustimmung, gilt weiterhin als innovativ und hat das Potential, bei einer Fortführung weitere wichtige Ergebnisse zu liefern. Teilprojekt 1: Zur religiösen und politischen Kultur eines "peripheren" Pan-Islamismus: Das Ausländerstudium an der International Islamic University Islamabad (Pakistan) und der Dar al-'ulum Deoband (Indien) (Dietrich Reetz)Das Teilprojekt untersuchte im Vergleich zwei sunnitische islamische Schulen, das eher traditionelle und orthodoxe Seminar von Deoband (Nordindien) und die eher modernistische Internationale Islamische Universität (IIU) Islamabad (Pakistan). Beide sind zugleich zentraler Bestandteil zweier internationaler Bildungsbewegungen, die sich über die gesamte islamische Welt erstrecken, besonders aber auf Asien und Afrika. Das Seminar von Deoband, mit 3500 Studenten eine der größten Einrichtungen seiner Art, bildet Religionsgelehrte (sin. ‘alim, pl. ‘ulama’) mit einem formalisierten Curriculum von acht Jahren aus, in dessen Mittelpunkt die klassischen Texte des Islam und deren Kommentare stehen. Die IIU, mit ca. 10 000 Studenten von mittlerer Größe als Universität, unterrichtet klassisches islamisches Wissen in einem modernen Hochschulformat. Zugleich fühlt sie sich durch breite öffentliche Bildungs- und Informationsangebote einer allgemeinen Islamisierung des öffentlichen Lebens verpflichtet. Zunehmend verlagert sich jedoch der Schwerpunkt auf moderne Fächer wie Recht, Business Administration, Politikwissenschaft und Computertechnik. Die Erkenntnisse des Teilprojektes lassen sich unter vier Stichworten zusammenfassen. (1) Beide Einrichtungen und die ihnen verbundenen Netzwerke befinden sich in einem komplizierten Umbruch und Modernisierungsprozess. Bei Deoband geht es darum, sich schrittweise den verstärkten Forderungen nach einer Revision des veralteten Curriculums zu stellen und es auch nichtreligiösen Fächern wie Englisch und Computernutzung zu öffnen. Damit will das Seminar weiterhin im zunehmend privatisierten Bildungsmarkt für breite Unterschichten attraktiv bleiben. Die IIU versucht, sich als attraktive Privatuniversität für die religiösen Mittelschichten mit Karriereinteressen zu profilieren. (2) Die von ihnen vertretenen Islam-Interpretationen sind trotz unterschiedlicher Akzente darauf gerichtet, eine islamistische Ideologisierung der Bildung zu befördern und dabei auch abweichende Islam-Interpretationen auszuschließen. Dies richtet sich in beiden Fällen in erster Linie gegen so genannte Reformbekenntnisse wie die der Ahmadiyya, aber auch gegen die Schiiten. Der puristische Anspruch von Deoband attackiert darüber hinaus auch andere sunnitische Gruppen wie die Barelwis und die Jama’at-i Islami. (3) Beide Schulsysteme vertreten auch dezidiert politische Ansichten. Deobands Auffassungen spiegeln sich in den Konzepten der konservativen Vereinigungen und Parteien von Religionsgelehrten wider, die es in Indien, Pakistan, aber auch Südafrika, Kanada usw. gibt. Der IIU stehen in Pakistan und Indien die eher moderne Islamische Partei (Jama’at-i Islami) und in anderen Ländern verwandte Parteien wie die Muslimbrüder nahe. Eine strukturelle und systemische Verknüpfung mit militanten Strömungen ist nicht festzustellen. Gleichwohl bestehen solche Verbindungen bei einzelnen Akteuren und Institutionen der Gesamtnetzwerke. (4) Die angeschlossenen nationalen und internationalen Einrichtungen der Deobandis haben sich in den letzten 10 Jahren deutlich vervielfältigt und diversifiziert, da die Absolventen aufgrund ihrer mangelnden weltlichen Bildung oft keine andere Anstellungsmöglichkeit finden, als selbst eine neue religiöse Einrichtung zu schaffen. Ihre NGOs sind heute auch im Bereich der Allgemeinbildung und karitativer Hilfe zu finden. Die IIUs bemühen sich verstärkt um Anliegen der nationalen Muslimgemeinde, wie die Reformation des Madrasa-Sektors, aber auch die Durchsetzung islamischer Prinzipien in Politik, Recht, Wirtschaft und Kultur. Der internationale Verknüpfung wurde besonders durch die ergänzende Feldforschung in Sudan, Südafrika, Malaysia und Indonesien deutlich, ohne die solche verallgemeinernden Aussagen nicht möglich wären. Aufgrund der Kürzung der Projektlaufzeit in der Bewilligung muss die Auswertung des gesammelten Materials jedoch auch nach Projektabschluss fortgesetzt werden. Die bisherigen Ergebnisse wurden in 5 Forschungsaufsätzen in referierten internationalen Fachzeitschriften und Sammelbänden dokumentiert. Teilprojekt 2: Transkultureller Austausch durch Bildung: Zur Vermittlung islamischer Bildung an Studenten aus Malaysia und Indonesien in Indien und Pakistan und der Anwendung ihres Wissens in ihren Heimatländern (Farish Noor)The objective of this research project was to outline the actual process of transfer of knowledge between the madrasah networks in India and Pakistan in South Asia and Malaysia (and to a lesser extent, Indonesia) in Southeast Asia. The findings have highlighted several areas of new knowledge/research that has hitherto been relatively under-researched: As a result of the research done in Pakistan, India, Malaysia and Indonesia a more accurate understanding of the extent of transnational networking and linkages between South and Southeast Asia has been reached. As detailed in our publications to date (Farish Noor, Islam Embedded, 2004) the development of political Islam in Malaysia (and Indonesia) was not a localized affair but rather a phenomenon that was global in context and driven by globalizing forces and the structures. Parallel to the development of political Islam in Southeast Asia has been the development of Islamically-inspired social movements, educational networks, cadre-creating institutions that have been working close at hand with other Islamist agents and actors from South Asia, thereby helping to create and shape both an ‘Islamic private sector’ in the countries concerned as well as a global Muslim landscape that centralizes the Muslim world while rendering the Occident to the periphery. Related to this has been the emergence of a distinctly Asian form of Islam and Islamic normativity that is guided and shaped by local Asian (South and Southeast Asian) norms, values, culture and history that is distinct from the forms of Islamic or Muslim normativity in the Arab world and/or North Africa. The work carried out on groups such as the Tablighi Jama’at underscored the fact that South Asian Islam and South Asian Muslim groups have a clearly greater influence on local Islam in Malaysia and Indonesia than is normally recognized. Thus far findings in this area have been delivered at various conferences and workshops, and have been published as well (2006.a; 2004.a.b; 2003,c.d.f.) or are in the process of publication. (Noor and Reetz, 2006, in print) The localization of South Asian Muslim norms and values in both Malaysia and Indonesia have been analysed and documented in several papers that were both presented and published (Noor, 2004.a, 2003.c). The role of the Tabighi Jama’at pietist movement in particular has been the focus of research on transcultural transfer of religious knowledge and norms, and in the course of the research work conducted the actual dates and patterns of arrival, spread and consolidation of the Tabligh in Malaysia and Indonesia (particularly Northeast Malaysia) were finally firmly established, thereby adding new knowledge to previous studies of the Tabligh in Southeast Asia. Adding to the new information that was discovered in the course of the research project was the discursive influence of South Asian Islamist groups (such as the Deobandis) and parties (such as the Jama’at-e Islami of Pakistan) on local Islamist actors and agents such as the leaders and intellectuals of the Pan-Malaysian Islamic party (PAS). This too has been documented and analysed, and the findings of the research have been published (Noor, 2003.d, f). Thus the research conducted and the results gained for the fieldwork have helped to expand the area of research into political Islam and Islamist political actors and their discourse in Southeast Asia, emphasizing the commonality of themes and ideas that were transplanted from a South Asian context. The public relevance of such research was also made evident with the report on the political environment surrounding the religious seminaries of South Asia and the fate of Southeast Asian students studying there. (Noor, 2004.b.) In the analysis of the political background to the movement of students from Southeast Asia to South Asia, and the arrest of the former while studying in countries like Pakistan, it has been demonstrated that there exists a wide dissonance between the media hype about the ‘war on terror’ and the alleged roles of the madrasahs in international terrorist networks, and the local political agendas of governments in countries like Malaysia, Indonesia and Pakistan. A revised copy of the report on Malaysian and Indonesian students in Pakistan was submitted to several Malaysian NGOs and the Malaysian Human Rights Commission (SUHAKAM) in the defence of Malaysian students wrongfully arrested and detained while studying in Pakistan, thereby proving the wider contemporary social and political relevance of such detailed research when it is brought to the attention of the wider public. |