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Islamische Mission im multikonfessionellen Kontext Ostafrikas

Dr. Chanfi Ahmed
Tabea Scharrer (assoziiert)
Dr. Achim von Oppen

Forschungszeitraum: 2004 bis 2006

In Ostafrika lassen sich derzeit vielfache Bestrebungen beobachten, auch abseits der großen städtischen Zentren den "reinen" Islam voranzubringen. Neue Aktivisten islamischer "Mission" (da`wa) treffen mit ihren Bekehrungs- und Bildungsangeboten auf etablierte Praktiken der Propagierung des Islam, die vor allem durch islamische Bruderschaften im 20. Jahrhundert entwickelt wurden, wie auch auf verstärkte Aktivitäten christlicher Missionsbewegungen.
Das Projekt untersucht Prozesse der Konversion zum und im Islam aus der Perspektive des Handelns konkurrierender religiöser Akteure und ihrer Adressaten. Diese Perspektive ist sowohl durch translokale Bezüge als auch durch lokale Interaktionen geprägt. Solche interaktiven Prozesse werden für die Gegenwart und im Rückblick auf die neuere Geschichte an ausgewählten Standorten im Hinterland Kenyas und Tanzanias erforscht. Zugleich wird damit ein Beitrag zur wieder auflebenden Debatte um religiöse Konversion geleistet. Das Projekt gliedert sich in drei Teilprojekte, die sich gegenseitig durch ihre jeweiligen empirischen und methodischen Schwerpunkte ergänzen:

Teilprojekt 1

Bekehrungsdiskurse: Lokale und translokale Interaktionen islamischer Mission im heutigen Ostafrika

Dr. Chanfi Ahmed

Dieses Teilprojekt untersucht Konversionsstrategien, die konkurrierende Akteure islamischer Mission in Ostafrika anwenden, um Muslime und Nicht-Muslime zu ihrer jeweiligen Version des Islam zu bekehren. Im Mittelpunkt der Forschung stehen einerseits die Personen selbst, andererseits die verschiedenen Arten und Orte ihrer Predigt. Dazu zählen die Freitagspredigten, Predigten aus Anlaß traditioneller religiöser Feste und Zeremonien oder bei Wohltätigkeitsveranstaltungen sowie neue Formen wie das "open-air preaching" (mihadhara). Die Predigt wird als eine Form diskursiven Handelns betrachtet, das zwar von bestimmten religiösen Akteuren ausgeht, aber in Inhalt, Form und Bedeutung durch Bezüge lokaler wie translokaler Reichweite beeinflußt wird. Dazu wird auch die Herkunft und Ausbildung der Prediger sowie die Unterstützung, die sie von Organisationen und Personen in oft entfernten Zentren Ostafrikas und des arabischen Auslands erhalten, untersucht. Die im lokalen Umfeld vorhandenen Debatten und Erwartungshaltungen werden ebenso thematisiert, wobei hier eine besonders enge Zusammenarbeit mit dem Teilprojekt 2 vorgesehen ist. Als Datengrundlage dienen erstens die Texte und Präsentation der Predigten selbst, zweitens die Biographien und die Beobachtung der Prediger und drittens Informationen über deren lokale und translokale Vernetzung.

Teilprojekt 2

Konversionsgeschichten: Islamische Bekehrung im heutigen Ostafrika als individuelle Erfahrung und soziale Praxis

Tabea Scharrer

Im Mittelpunkt dieses Teilprojekts stehen die Anhänger und Konvertiten der heute aktiven islamischen Missionsbewegungen. Anhand religiöser Biographien werden deren Erfahrungen, Wahrnehmungen und Handlungsmuster untersucht. Im Gegensatz zu bisherigen Forschungen zu Konversionsprozessen zum bzw. im Islam Ostafrikas, die sich weitgehend auf die Perspektive sozialer Gruppen, geistlicher Organisationen und deren Führer beschränkt haben, geht diese Untersuchung also von den Adressaten der aktuellen islamischen Bekehrungsbemühungen aus. Anhand ausgewählter Lokalitäten in Zentral-Kenya und Nordost-Tanzania richtet sich besondere Aufmerksamkeit auf populäre Wahrnehmungen der Konkurrenz zwischen verschiedenen Bekehrungsangeboten, die sich in religiösen Diskursen und Praktiken äußert. Dabei wird die Frage verfolgt, inwieweit und wie die Konkurrenz der Konfessionen die Konversionsgeschichten der Individuen prägt. Methodisch stützt sich das Vorhaben vor allem auf eine größere Serie narrativer und biographischer Interviews sowie auf Alltagsbeobachtungen. Dieses Teilprojekt wird in enger Abstimmung mit Teilprojekt 1 durchgeführt, das die Akteure islamischer "Mission" möglichst an den gleichen Orten untersucht.

Teilprojekt 3

Bekehrungspraktiken: Übergänge zwischen islamischer und christlicher Mission in Ostafrika im 20. Jahrhundert

Dr. Achim von Oppen

Im Unterschied zu den beiden anderen, gegenwartsbezogenen Teilprojekten geht es hier um eine historische Untersuchung missionarischer Praxis von ca. 1920 bis 1980. Ausgangspunkt sind weniger die Akteure als vielmehr die rituellen Praktiken der Mission. Gefragt wird vor allem nach den Wechselwirkungen zwischen islamischer und christlicher Missionierung. Im Mittelpunkt stehen dabei Phasen der Expansion und institutionellen Konsolidierung der Sufi-Bruderschaften im ostafrikanischen Islam, die sich parallel zu vergleichbaren Tendenzen in den christlichen Missionskirchen und später unabhängigen afrikanischen Kirchen vollzogen. Auf beiden Seiten gingen diese Entwicklungen mit einer Intensivierung translokaler Verbindungen einher. Das Teilprojekt untersucht die konkreten Wechselwirkungen und gegenseitigen Bedingtheiten dieser Prozesse auf der lokalen Ebene ausgewählter Orte in Nordost-Tanzania. Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwieweit es im Kontext interreligiöser Konkurrenz auch zu Konvergenzen und wechselseitigen Anleihen in bezug auf die Praktiken der Bekehrungsarbeit kam und sich dadurch ein übergreifendes Repertoire moderner Religiosität entfaltetete. Als Quellengrundlage dienen Daten und Ergebnisse früherer Untersuchungen, Archivakten, religiöse Zeitschriften und graue Literatur; diese sollen durch eine Reihe historischer Interviews und Beobachtungen vor Ort ergänzt werden.