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Weltkriege und Weltsichten. Arabische und indische Kriegserfahrungen im Spannungsfeld von Eigensinn und PropagandaRavi Ahuja Gegenstand dieses Projekts sind arabische und indische Wahrnehmungen und Erfahrungen der beiden Weltkriege. Untersucht wird, wie die vielgestaltigen Weltkriegswahrnehmungen in einem Spannungsfeld konkurrierender Deutungs- und Handlungsmuster zu Weltkriegserfahrungen verfestigt und verallgemeinert wurden, und wie die so erzeugten Erfahrungen ihrerseits Selbstbilder, Weltsichten und Handlungsmotivationen in den jeweiligen Gesellschaften veränderten. Als Fortsetzung des ZMO-Projekts „Weltkriege und Weltsichten:
Arabische Wahrnehmungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs“ (2004-2006)
soll dieses Projekt zur Überwindung eurozentrischer Verengungen
in der Kulturhistoriographie des „Zeitalters der Weltkriege“
beitragen. Thematisch wird das Projekt um die Untersuchung des translokalen
und transterritorialen Konstitutionskontextes nicht-europäischer
Kriegserfahrungen erweitert, in welchem gegenläufige propagandistische
Interventionen und eigensinnige Deutungsleistungen aufeinander trafen.
Neue, komplementäre Perspektiven werden zudem durch die regionale
und soziale Erweiterung des Forschungsgegenstands eröffnet: Über
die bisher erforschten Weltkriegswahrnehmungen arabischer Kombattanten
und Intellektueller hinaus werden nun auch die Erfahrungen der arabischen
Zivilbevölkerung sowie indischer Kriegsgefangener und Intellektueller
in den Blick genommen. Teilprojekt 1 Kriegsbilder. Weltkriegserfahrungen der arabischen ZivilbevölkerungDieses Projekt schließt an das vorhergehende Teilprojekt Kriegsbilder. Erlebnisse und Erfahrungen arabischer Teilnehmer am Ersten und am Zweiten Weltkrieg an. Während sich das Vorgängerprojekt mit den Weltkriegserfahrungen arabischer Kombattanten beschäftigte, stehen nun Kriegserfahrungen und -wahrnehmungen der arabischen Zivilbevölkerung im Mittelpunkt. Insbesondere die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf den Alltag der Bevölkerung in Syrien und Jordanien sowie die Perspektiven von Angehörigen arabischer Soldaten, die auf den verschiedenen Seiten kämpften, sollen untersucht werden. In der Auswertung schriftlicher und mündlicher Quellen wird nach den Erlebnissen und Wahrnehmungen, den Handlungsspielräumen und -strategien und den daraus entstehenden Erfahrungen arabischer Zivilisten in Syrien und Jordanien während des Zweiten Weltkriegs gefragt. Die Herausbildung von Wahrnehmungen und Interaktionen mit europäischen Kriegsteilnehmern, aber auch europäischen Normen und Deutungen des Weltkriegsgeschehens und seiner Folgen, ist ein weiterer Schwerpunkt Teilprojekt 2 Gefangenschaft und Deutungskämpfe: Südasiatische Kriegsgefangene in Deutschland und das Ringen um den Sinn des Ersten WeltkriegsUntersucht wird der Prozess, in welchem südasiatische Insassen deutscher Kriegsgefangenenlager ihre Weltkriegserfahrungen deuteten, in Handlungsmuster umsetzten und nach Südasien zurück transportierten. Dieser multidirektionale Prozess transterritorialer Sinnproduktion verlief strukturiert und konfliktreich, weil diverse Parteien mit gegensätzlichen Interessenlagen auf ihn einwirkten. Diese Parteien, die Militär-, Regierungs- und Wissenschaftskreise der kriegführenden Staaten ebenso einschlossen wie südasiatische Exilintellektuelle, sahen sich dabei mit widerstands- und anpassungsfähigen, oft gegenläufigen Deutungsmustern konfrontiert, die Kriegsgefangene aus ihrem (meist bäuerlichen) soziokulturellen Herkunftskontext einbrachten. Leitfragen der Untersuchung sind: Welche Kategorien (etwa Religion, Ethnizität, Nation, Empire, Klasse), welche Denkfiguren und Widersprüche prägten diesen Prozess der Sinnproduktion? Inwieweit lassen sich anhand dieser Merkmale ideologie- und mentalitätsgeschichtliche Kontinuitäten rekonstruieren, die beide Weltkriege des „Zeitalters der Katastrophe“ (Hobsbawm) miteinander verbinden? Die Archivstudien konzentrieren sich auf den (diesbezüglich weniger erforschten) I. Weltkrieg, die Resultate werden jedoch im Kontext des gesamten „dreißigjährigen Krieges des 20. Jahrhunderts“ untersucht. Der Erste Weltkrieg in indischen Öffentlichkeiten: Von der Kriegswahrnehmung zur Rekonfiguration von Identitäten, Weltbildern und WeltordnungenDas Teilprojekt untersucht indische Wahrnehmungen und Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und ihre Repräsentation und Interpretation in verschiedenen Öffentlichkeiten. Im Zentrum des Interesses stehen die Auswirkungen der Kriegsereignisse auf indische Sichtweisen der Weltordnung des Britischen Empire und der „westlichen Zivilisation“ sowie die dadurch ausgelösten Prozesse der religiösen, kulturellen und politischen Selbstverortung durch ein breites Spektrum der gebildeten indischen Bevölkerung. Die Wahrnehmungen indischer Intellektueller aus unterschiedlichen sozialen und politischen Milieus stehen im Mittelpunkt des Teilprojekts. Die von der englischsprachigen politischen Elite des Landes geführte Debatte wird dabei mit der Verarbeitung der Ereignisse in der von „sekundären Eliten“ geprägten und von mittleren bis unteren sozialen Schichten rezipierten Hindi-Öffentlichkeit kontrastiert. Eine weitere aufschlussreiche Perspektive verspricht die Analyse des Kriegsdiskurses in der durch in Europa und Nordamerika lebende Inder geschaffenen „Diasporaöffentlichkeit“. Als Quellen werden Schriften der anglisierten politischen Elite und der englischsprachigen Mainstream-Presse, die von sekundären Eliten genutzten Hindi-Medien sowie die Produkte der von nationalistischen indischen Exilanten in Europa und Nordamerika geschaffenen ‚Gegenöffentlichkeit’ analysiert. |