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Lesevereine im kolonialen Indien - eine translokale Perspektive

Dr. Heike Liebau

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich neue Lesekulturen im kolonialen Indien heraus. Diese waren sowohl durch die paternalistische und utilitaristische Haltung der Kolonialmacht gegenüber der Bevölkerung als auch durch das wachsende antikoloniale Bewusstsein und die frühe Nationalbewegung geprägt. So genannte reading rooms wurden als unabhängige Vereine, oder als Bestandteile von religiösen, politischen oder beruflichen Assoziationen gegründet. Die globale Bibliotheksbewegung, die sich ausgehend von Amerika über Europa, Japan, Russland und weite Teile der Welt ausbreitete, fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch ein Echo in Indien. Dort wurde die library movement eine soziale Bewegung mit wechselnden Zielen und verschiedenen Organisationsstrukturen. Gleichzeitig war sie Teil des antikolonialen Projekts zur Mobilisierung der Massen durch Bildung und Lesen. Das Forschungsprojekt untersucht die Bibliotheksbewegung im Kontext sozialer Spannungen und fragt, warum die Bewegung begrenzt und entlang von Kasten-, Klassen- und Religionsunterschieden gespalten blieb. In einer regional vergleichenden Perspektive wird analysiert, warum diese Bewegung in Indien vorrangig von Vertretern der gebildeten Mittelklasse in Indien unterstützt wurde, während z.B. in der Sowjetunion eine Massenbewegung entstand.