Urbane Grenzen in postosmanischen Städten Südosteuropas. Edirne und Niš in vergleichender Perspektive
Dr. Florian Riedler
Ziel dieses Projekts ist eine vergleichende Betrachtung von Edirne und Niš von ihrer Konstituierung als moderne Städte im spätosmanischen Reich bis zu ihrem Übergang in die postosmanische Ära. Radikale Brüche, neue Grenzziehungen, die Transformation der städtischen Gesellschaft und Wirtschaft sowie des Erscheinungsbildes, der räumlichen Struktur und der Selbstrepräsentation, prägten die beiden Städte in dieser Phase ihrer Geschichte. Wohl deshalb hatte die Geschichtsschreibung sie nie gemeinsam im Blick, sondern sie wurden im Kontext ihrer jeweiligen Nationalstaaten untersucht. Dieses Projekt sucht diese Spaltung zu überwinden, indem es einerseits die osmanische und die post-osmanische Phase ihrer Geschichte zusammenführt und andererseits nach Gemeinsamkeiten wie auch Unterschieden im Übergang in den Nationalstaat sucht. Unterschiedlich ausgeprägte Grenzen (unsichtbare und sichtbare, innere und äußere, selbstgeschaffene und aufgezwungene) dienen als zentraler Leitfaden des Vergleichs. Sie sollen nicht bloß als trennende Grenzlinien verstanden werden, sondern auch als Institutionen, die den Austausch und die Kommunikation zwischen verschiedenen Gruppen ermöglichen.
Ein wichtiges Beispiel für solche Grenzen stellen auf der städtischen Mikroebene die sich wandelnden sozialen, kulturellen und geschlechtlichen Differenzierungen in osmanischen und postosmanischen Städten dar, die durch die osmanische Modernisierungspolitik angestoßen und von den jeweiligen Nationalstaaten fortgeführt wurden. Besonders das Entstehen von ethnisch definierten nationalen Gemeinwesen aus anderen vorgängigen Gemeinschaften hinterließ einen prägenden Einfluss auf die räumliche Struktur der untersuchten Städte.
Gleichzeitig wirkten auch die äußeren politischen Grenzen, die das osmanische Südosteuropa seit dem 19. Jahrhundert im Gefolge von zahlreichen Kriegen zu zerschneiden begannen, in die Städte der Region hinein. Bereits 1878 wurde Niš serbisch während Edirne, bis es 1922 in die moderne Türkei integriert wurde, zunehmend von Grenzen umstellt wurde. Flüchtlingsströme vergrößerten die Stadtbevölkerungen oder ersetzten geflohene und vertriebene Bewohner, Grenzziehungen machten lang etablierte städtische Bewohner zu Ausländern oder Minderheiten, Handel und Reisen konnten erschwert und Städte von ihrem ökonomischen Hinterland abgeschnitten werden. Insgesamt mussten sich Edirne und Niš, wie alle postosmanischen Städte neu in ihren jeweiligen nationalen Kontexten positionieren, die wie im vorliegenden Beispiel Serbiens und der Türkei oft von Zentralismus geprägt waren.
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Kompetenznetzwerk mit Centre Marc Bloch Berlin, MLU Halle, HU Berlin
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