Die Stadtgeschichte von Jidda, ca. 1850-1947
Prof. Dr. Ulrike Freitag
Im Zentrum dieser Untersuchung der Geschichte der historischen Hafenstadt Jidda am Roten Meer steht die Frage danach, wie eine ausgesprochen multiethnische Stadt mit einem hohen Anteil von Kurz- und Langzeitmigranten funktionierte. Die Stadt und ihre Bewohner wurden durch die Stadtmauer definiert, auch wenn außerhalb eine Reihe wachsender Siedlungen lagen. Der Abriss der Mauer im Jahr 1947 symbolisiert auch die Auflösung dieser klaren Grenzziehungen und die gewissermaßen unkontrollierte Öffnung und Expansion der Stadt. Gleichzeitig waren Beziehungen nach außen – über das Meer für Handel und Pilgerfahrt, über Land in die heiligen muslimischen Städte Mekka und Medina – gewissermaßen konstituierend für die Existenz der Stadt.
Die innerstädtische Ordnung war durch eine Vielzahl unterschiedlicher, miteinander verwobener Einheiten definiert: Haushalte, Stadtviertel, Gilden und Sufiorden sowie bisweilen ethnisch dominierte Strukturen bildeten ein Geflecht, dass die relativ problemlose Unterbringung und mittelfristige Absorption von Durchreisenden und Zuwanderern erlaubte. Dies spiegelt sich auch in der Verwaltung: Während osmanische (und später arabische) oberste Verwalter eingesetzt waren, hing der Erfolg ihres Wirkens von der engen Zusammenarbeit mit lokalen Notabeln ebenso wie mit den lokal ‚gewählten‘ Stadtviertelvorstehern ab.
Die städtische Gesellschaft wies klare soziale wie rechtliche und politische Hierarchien auf. Wie diese verhandelt wurden, lässt sich aus den vorhandenen Quellen, welche von lokalen Landdokumenten über osmanische Anweisungen zu Konsular- und Reiseberichten reichen und Lokalgeschichten, Memoiren und mündliche Erinnerungen sowie historische Fotografien einschließen, wohl am schwierigsten rekonstruieren. Dafür bedürfte man Rechtsquellen, welche nicht zugänglich sind.
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