|
|
|
Streitobjekt Bildung im Spannungsverhältnis von Hindus, Muslimen
und Christen nationale und "kommunalistische" Interessen
am Vorabend der Unabhängigkeit Indiens
PD Dr. Jochen Oesterheld
Dr. Heike Liebau
Dr. Margret Frenz
Zusammenfassung des Abschlussberichts der Gruppe
Das Projekt Streitobjekt Bildung im Spannungsverhältnis von Hindus,
Muslimen und Christen nationale und kommunalistische Interessen
am Vorabend der Unabhängigkeit Indiens untersucht Auseinandersetzungen
über Ziele, Formen und Inhalte eines nationales Bildungssystems
in Indien. In den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts
brachten soziale Bewegungen, Parteien, Organisationen und Religionsgemeinschaften
ihre Vorstellungen in eine breite öffentliche Debatte ein. Ausgehend
von der These, daß sich diese gesellschaftlichen Kräfte in
einem Spannungsverhältnis von nationalen Erfordernissen einerseits
und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppierung andererseits
befanden, setzt das Projekt gruppenspezifische Auffassungen zu Bildungsinhalten
und Bildungspraxis ins Verhältnis zum Bemühen dieser politischen,
sozialen und religiösen Gemeinschaften um Mitgestaltung eines nationalen
Bildungssystems einerseits sowie um Selbstbestimmung und Identitätsfindung
andererseits. In einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen
war das Streitobjekt Bildung gleichzeitig Ziel und Mittel der Auseinandersetzung.
Die Debatten widerspiegelten die Selbstwahrnehmung von Angehörigen
unterschiedlicher sozialer und religiöser Gemeinschaften, ihre
Beziehungen zueinander und ihre Position im Ringen um Unabhängigkeit.
Die Arbeiten am Projekt, das drei DFG-finanzierte Teilprojekte mit unterschiedlichen
Laufzeiten und ein einjähriges Ergänzungsprojekt umfasst,
liefen von Januar 2000 bis Dezember 2003.
Inhaltlich konzentrieren sich die drei Teilprojekte auf den Untersuchungszeitraum
von Mitte der dreißiger Jahre bis zur Unabhängigkeit im Jahre
1947 und beziehen gleichermaßen Provinzen Britisch-Indiens und
Fürstenstaaten in die Analyse ein. Die Bildungsproblematik wurde
aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet: die Reaktionen indischer
Muslime auf die Politik der Provinzregierungen in den United Provinces,
Bihar und den Central Provinces (Joachim Oesterheld); der Zusammenhang
zwischen Bemühungen südindischer Christen im Bildungsbereich
und Veränderungen in ihrem Selbstverständnis und bei der Neudefinition
ihrer politischen und sozialen Stellung in der Madras Presidency (Heike
Liebau); die Rolle der Bildung bei der Gestaltung der Beziehungen innerhalb
hinduistisch geprägter Gruppen am Beispiel von verschiedenen Gemeinschaften,
die sich als sozio-politischer Faktor in Travancore konstituierten (Margret
Frenz). In einem Ergänzungsprojekt standen theoretische Aspekte
von Bildung und Erziehung in kolonialen Strukturen und im Prozeß
der Herausbildung von Nationalstaaten im Mittelpunkt (Antje Linkenbach-Fuchs).
Teilprojekt 1
Bildungsprogrammatik und Bildungspraxis von Provinzregierungen in
Britisch-Indien Reaktionen und Positionsbestimmungen unter Muslimen
am Vorabend der Unabhängigkeit
PD Dr. Jochen
Oesterheld
Zusammenfassung des Abschlussberichts
Das Teilprojekt Bildungsprogrammatik und Bildungspraxis von Provinzregierungen
in Britisch-Indien Reaktionen und Positionsbestimmungen unter
Muslimen am Vorabend der Unabhängigkeit wurde im Zeitraum vom 01.01.
2000 bis 31.12. 2002 am Zentrum Moderner Orient in Berlin bearbeitet.
Es war Bestandteil des Gruppenprojekts "Streitobjekt Bildung im
Spannungsverhältnis von Hindus, Muslimen und Christen nationale
und kommunalistische' Interessen am Vorabend der Unabhängigkeit
Indiens", das im Januar 2000 begonnen wurde und im Dezember 2003
abgeschlossen wird. Das Gruppenprojekt behandelt politische Debatten
über Ziele, Formen und Inhalte eines nationalen Bildungssystems
in Indien, die in den dreißiger und vierziger Jahren von sozialen
Gruppierungen, Parteien und religiösen Gemeinschaften geführt
wurden. Die Verständigungsprozesse zu Bildungsfragen widerspiegelten
nicht nur gruppenspezifische Auffassungen zu Bildungsinhalten und Bildungspraxis,
sie beeinflussten auch die Selbstwahrnehmung von Angehörigen unterschiedlicher
sozialer und religiöser geprägter Gemeinschaften, ihre Beziehungen
zueinander und ihre Position im Ringen um Unabhängigkeit.
Im Unterschied zu den beiden anderen Teilprojekten, in denen im weiteren
Sinne koloniale und soziale Aspekte als Ebenen der Auseinandersetzung
um Bildung im Mittelpunkt der Untersuchung stehen, ist die Fragestellung
des Teilprojekts auf die Haltung indischer Muslime gegenüber der
Bildungspolitik der vom Indischen Nationalkongress ab 1937 gestellten
Regierungen in den Central Provinces, in Bihar und in den Central Provinces
and Berar gerichtet. Durch deren Bildungsprogrammatik und Bildungspraxis
sahen sich große Teile der in sich heterogenen muslimischen Bevölkerung
in ihrer kulturell-sprachlichen und religiösen Identität gefährdet.
Die von einem nationalen Anspruch geprägte Bildungspolitik dieser
Provinzregierungen hat dazu beigetragen, das Vertrauen indischer Muslime
in die Möglichkeit einer gleichberechtigten Partnerschaft mit der
Hindu-Majorität in einem einheitlichen Staatsverband zu untergraben.
Eine auch für den Bildungsbereich zu verzeichnende "Hinduisierung",
die von Muslimen in zunehmendem Maße als Bedrohung ihrer kulturell-religiösen
Eigenständigkeit empfunden wurde, führte zur Ausprägung
eines temporären Zusammengehörigkeitsgefühl als Solidargemeinschaft,
erleichterte ihre politische Instrumentalisierung durch die Muslim Liga
und erbrachte eine wachsende Unterstützung für deren "Zwei
Nationen Theorie". Damit erlangte die Auseinandersetzung um Fragen
von Bildung und Erziehung am Vorabend der Unabhängigkeit Indiens
eine politische Dimension, die in der bisherigen Forschung keine ausreichende
Berücksichtigung gefunden hat. Unter aktuellem Aspekt steht ihre
Relevanz für die weitere Entwicklung Indiens außer Frage.
Arbeitsergebnisse
Teilprojekt 2
Die Bildungsfrage im Selbstverständnis indischer Christen in
der Madras Presidency (1930-1947)
Dr. Heike Liebau
Zusammenfassung des Abschlussberichts
Das Teilprojekt Die Bildungsfrage im Selbstverständnis indischer
Christen in der Madras Presidency (1930-1947) wurde im Zeitraum vom
1.1. 2001 bis 31.12.2002 als Verbundprojekt des Zentrums Moderner Orient
und des Seminars für Geschichte Südasiens an der Humboldt-Universität
zu Berlin bearbeitet. Es war Bestandteil des Gruppenprojekts Streitobjekt
Bildung im Spannungsverhältnis von Hindus, Muslimen und Christen
nationale und kommunalistische Interessen am Vorabend der Unabhängigkeit
Indiens, das seit Beginn des Jahres 2000 am Zentrum Moderner Orient
besteht und im Dezember 2003 abgeschlossen wird.
Im Rahmen des Gruppenprojektes werden Auseinandersetzungen über
Ziele, Formen und Inhalte eines nationales Bildungssystems in Indien
in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts untersucht.
Drei Teilprojekte blickten auf unterschiedliche gesellschaftliche Kräfte,
die sich jeweils in einem Spannungsverhältnis von nationalen Erfordernissen
einerseits und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft
andererseits befanden, und aus dieser Situation heraus gruppenspezifische
Auffassungen zu Bildungsinhalten und Bildungspraxis artikulierten.
Neben zwei weiteren Teilprojekten, in denen die Bildungsproblematik
im Hinblick auf Reaktionen unter indischen Muslimen auf die Politik
der Provinzregierungen in den United Provinces, Bihar und den Central
Provinces bzw. im Hinblick auf die Rolle der Bildung bei der Gestaltung
der Beziehungen innerhalb hinduistisch geprägter Gemeinschaften
am Beispiel des princely state Travancore behandelt wird, waren die
Positionen südindischer christlicher Pädagogen, Politiker,
Institutionen und Organisationen im Ringen um ein nationales Bildungssystems
der Untersuchungsgegenstand dieses Teilprojekts. Es wurde danach gefragt,
welche Bedeutung spezifisch christliche Standpunkte zu verschiedenen
inhaltlichen Schwerpunkten und praktischen Vorschlägen für
die Entwicklung der Bildungspolitik im landesweiten Maßstab einerseits
und für die Position der Christen als religiöse Minderheit
andererseits hatten. Untersuchungsregion war die Madras Presidency im
Südosten Indiens, wo als Folge der Arbeit verschiedener Missionsgesellschaften
ein weitreichendes Netz christlicher Bildungsarbeit bestand und bedeutende
christliche Persönlichkeiten und indigene christliche Organisationen
aktiv an bildungspolitischen Entwicklungen beteiligt waren.
Das bildungspolitische und bildungspraktische Engagement südindischer
Christen am Vorabend der Unabhängigkeit Indiens wurde vor allem
von zwei übergreifenden Tendenzen beeinflußt. Die Identitätssuche
indischer Christen in dieser Zeit wurde zum einen vom Prozeß der
Abgrenzung von ausländischen Missionen und der Konstituierung als
Religionsgemeinschaft in Indien, zum anderen von dem Bemühen um
"Indigenisierung" des indischen Christentums bestimmt. Beide
Prozesse hatten Auswirkungen auf das Auftreten südindischer Christen
in den Bildungsdebatten. Christliche bildungspolitische Aktivisten agierten
in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis nach Wahrnehmung
nationaler Verantwortung, dem Bestreben nach Behauptung stabiler Positionen
im Bildungssektor, sich verändernder gesellschaftlicher Anforderungen
und dem christlichen missionarischen Verkündigungsauftrag. Bildung
und Erziehung wurden zu einem Feld der Auseinandersetzung um Selbstbestimmung,
Identitätsfindung und Integration.
Projektpublikationen
Teilprojekt 3
Bildungspolitik und Bildungsnachfrage im princely state Travancore,
1930-1947
Dr. Margret Frenz
Zusammenfassung des Abschlussberichts
(Nicht verfügbar)
Arbeitsergebnisse
|
|